Wie geht es dem Tourismus? Man hört und liest wieder von Nächtigungsrekorden. Aber wenn man genauer hinschaut, nutzen diese Nächtigungsrekorde nur der Politik zur Selbstdarstellung. Den Betrieben bleibt immer weniger im Börserl. Woran das liegt und was man dagegen tun kann, haben wir zwei Banker gefragt: Florian Zellmann, Ex-Banker der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) und nun Managing Consultant der Prodinger Tourismusberatung, und Andreas Hammerer, Vorstand der Walser Raiffeisen Bank AG im Kleinwalsertal.
„Wir dürfen uns nicht von Nächtigungsrekorden blenden lassen!“, warnt Walter Veit, Präsident der Österreichischen Hotelvereinigung. In einem Interview mit der T.A.I. sagte Veit im Mai: „In der Wintersaison 2018/19 erreichte die Wertschöpfung in der Branche insgesamt 12,5 Mrd. Euro. Für die Saison 2024/25 wurde eine von 10,6 Mrd. Euro prognostiziert, also ein extremer Rückgang. Da müssen wir die Inflation {25 %} noch dazurechnen. Uns geht die Luft aus! Es ist kein Geld mehr da, um zu investieren.“
Mit 8,6 Mrd. Euro schaffte der Tourismus 2024/25 den bislang höchsten Beitrag zur Leistungsbilanz. Dazu kommen Rekorde bei Ankünften und Nächtigungen. Auf der anderen Seite gibt es die aktuelle WIFO-Tourismusanalyse, die einen realen Rückgang der Bruttowertschöpfung im Tourismus 2024 von 3,9 % misst. „Das ist kein Widerspruch, das ist ein klarer Handlungsauftrag“, warnt Veit in einer Aussendung der ÖHV. „Es kommen mehr Gäste, aber sie sparen. Die Kosten steigen stärker als die Einnahmen. Das ist ein Problem. Das müssen wir lösen. Eine weitere Internationalisierung des österreichischen Tourismus ist unumgänglich.“
Mehr Gäste aus Übersee
Und da ist Österreich durchaus auf einem guten Weg: Die USA sind mit 2,38 Millionen Nächtigungen und plus 14 Prozent der bedeutendste Fernmarkt, gefolgt von China mit rund 654.000 Nächtigungen und plus 90 Prozent Zuwachs. Auch Lateinamerika, insbesondere Mexiko und Brasilien, verzeichnet ein Plus. Kanada entwickelt sich stark. Elisabeth Zehetner, Staatssekretärin für Energie, Tourismus und Startups, sagte jüngst auf dem Tourismustag: „Wer in der ersten Liga des internationalen Tourismus mitspielen will, darf nicht nur auf die Nähe schauen – sondern muss über den Horizont hinausdenken.
Unsere Städte sind Kulturbühnen, unsere Natur ein Kraftplatz, unsere Kulinarik ein Erlebnis. Österreich hat hier ein Ass im Ärmel – wir bieten all das auf höchstem Niveau: authentisch, vielfältig, überraschend. Jetzt geht es darum, dieses Angebot international noch sichtbarer zu machen. Denn Gäste aus Fernmärkten geben mehr aus und reisen auch außerhalb der Hauptsaison. Sie sind nicht nur Gäste – sie sind tragende Säulen unserer touristischen Wertschöpfung. Unser Ziel ist klar: internationale Potenziale nutzen und Österreich als Ganzjahresdestination und starken Wirtschaftsstandort nachhaltig positionieren.“
Aktuelle Daten aus dem Tourismusmonitor Austria (T-MONA) bestätigen: Knapp die Hälfte der nord- und mehr als zwei Drittel der lateinamerikanischen Gäste geben an, dass Sehenswürdigkeiten und Kultur der Hauptgrund für einen Österreichurlaub sind. Doch bereits mehr als 20 Prozent der nord- und lateinamerikanischen Gäste nennen Österreichs Natur und Landschaft als Besuchsgrund. Kulinarik spielt bei fast 10 Prozent dieser Gäste eine zentrale Rolle. Bei nordamerikanischen Gästen dominieren die Sommermonate als Reisezeit, aber auch das Frühjahr und der Dezember gewinnen an Bedeutung.
Traditionell überzeugt Österreich laut T-MONA asiatische Gäste mit Hochkultur und Sehenswürdigkeiten – 47 Prozent nennen dies als Hauptmotiv für ihren Besuch –, doch bereits mehr als ein Drittel der Befragten überzeugt auch Österreichs Natur und Landschaft.
Auch asiatische Gäste wollen keine Masse
„Klasse statt Masse gilt auch für Gäste aus Asien“, sagt Astrid Steharnig-Staudinger, CEO der Österreich Werbung (ÖW). „Das Abarbeiten von Bucket Lists war gestern – heute zählt das Erlebnis. Denn asiatische Gäste orientieren sich zunehmend am globalen Reisetrend, reisen in Kleingruppen oder mit der Familie und suchen nach Erlebnissen abseits der Massen. Das Interesse an Entspannung, Wellness und Kulinarik steigt. Der Trend zeigt auch: Schnee ist und bleibt ein Sehnsuchtsthema für asiatische Gäste. Sie wollen den Winter mit allen Sinnen erleben und Österreich hat das Potenzial, als Alpendestination mit hochwertigen Skierlebnissen und traumhaften Kulissen neue Zielgruppen zu begeistern.“ Mit durchschnittlich 392 Euro pro Tag und Person liegen die Ausgaben der asiatischen Gäste sogar über jenen der nord- und lateinamerikanischen. Und bei mehr als dem Doppelten der deutschen Gäste.
In China wird Österreich von der ÖW als hochwertige Ganzjahresdestination beworben. Im Sommer liegt der Fokus auf Outdoor, Wandern und Gesundheit – unterstützt durch Projekte wie dem „Aodili-Tyrol Wanderweg”, der in Sichuan im chinesischen Huanglong-Nationalpark gemeinsam mit der Tirol Werbung und regionalen Partnern eröffnet wurde. Mit Veranstaltungen wie den „Austrian Winter Sports Days 2025“ und starken Partnern wie der wichtigsten Online-Buchungsplattform trip.com, dem Skiclub Snowhero und Indoor-Skihallen wird auch die Sichtbarkeit als alpines Reiseziel in China gestärkt.
Am US-Markt wird Österreich von der ÖW im Luxussegment auf exklusiven Plattformen wie der ILTM Nordamerika und der Virtuoso Travel Week beworben. Insbesondere Kulinarik bildet heuer einen Schwerpunkt, im Juni beginnt die Eventreihe „Austria Chef’s Table“ in New York, begleitet von Medienkooperationen mit dem Food & Wine Magazine. Zum zweiten Mal startet die USA-Winter-Ski-Allianz mit acht österreichischen Partnern sowie neuen Content-Produktionen. Außerdem wird der Süden Österreichs mit der European Travel Commission als neue Slow-Travel-Region für den US-Markt positioniert.
Aber was ist mit der Liquidität?
Aber was hilft das alles, wenn die Gewinne einbrechen und kein Geld zum Investieren da ist? „Die Situation spitzt sich jetzt zunehmend zu, trotz eigentlich guter Preisdurchsetzung“, sagt Florian Zellmann, bis vor kurzem Geschäftsführer der Österreichischen Tourismusbank und jetzt Teilhaber bei Prodinger Tourismusberatung, im Hintergrundgespräch. „Wir haben uns das bei Prodinger ganz aktuell angeschaut. Wenn man den Gesamtumsatz pro Zimmer zwischen 2019 und 2024 vergleicht, sind die Gesamtumsätze um über 20 % gestiegen. Wenn man sich aber die operativen Ergebnisse ansieht, haben wir einen Rückgang um knapp 1,3 Prozentpunkte des GOPs. Also das operative Betriebsergebnis der Betriebe liegt unter dem des Jahres 2019. Und das ist noch ohne Inflation gerechnet.“
Andreas Hammerer, Vorstand der Walser Raiffeisen Bank AG im Kleinwalsertal, sieht die Situation nicht ganz so dramatisch: „Aktuell sehen wir die liquide Decke auf einem guten Wert, nach einer positiven Wintersaison. Diese liegt etwas höher als in den Jahren zuvor, unter Berücksichtigung des Inflationsanstiegs in etwa auf dem Niveau der Vorjahre. Tendenziell stehen Betriebe im gehobeneren Bereich besser da.“
Endlich bessere Preise
Zellmann kann auch erklären, woher die positive Preisdurchsetzung kommt. Das liege am Nachholbedarf im Städtetourismus. Da habe sich Österreich preislich lange im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld bewegt. „Wir waren schlicht zu billig.“ Viele Betriebe haben die Schließzeiten während Corona zum Investieren genutzt. Vor allem in die Hardware: Nachhaltigkeit, thermische Gebäudesanierung, alternative Heizsysteme, Kühlsysteme. Das hat allerdings viel Liquidität gefressen. Natürlich sind das Investitionen in die Zukunft, die sich auch kostentechnisch positiv auswirken werden. „Aber man muss das sehr langfristig sehen“, warnt Zellmann.
Hammerer spricht sogar von einem Investitionsstau – zumindest teilweise: „Einige Betriebe haben die Coronazeit genutzt und notwendige Investitionen getätigt. Andere Betriebe wiederum nicht und dann danach investiert {und leiden jetzt unter gestiegenen Zinsen}. Und dann gibt es aber auch noch Betriebe, bei denen es noch einen Investitionsstau gibt und diese stehen nun vor der Tatsache des starken Preisanstieges und des höheren Zinsniveaus als in den Jahren der Niedrigzinspolitik.“ Negativ hinzugekommen sind die Mitarbeiterkosten: „Die sind um 36 Prozent gestiegen gegenüber 2019“, hat Zellmann ausgerechnet.
Der Zwang zum Investieren
Aber die Betriebe MÜSSEN investieren. Die Investitionszyklen werden immer kürzer und liegen bereits unter sieben Jahren. „Schon allein deshalb, weil sich die globalen Reisetrends viel, viel dynamischer ändern, als das in der Vergangenheit der Fall war“, sagt Zellmann. Momentan sieht er das große Trendthema im länger und gesünder alt werden. Da entstünden ganz neue Zielgruppen, auf die sich der Tourismus einstellen müsse. Und das gehe eben nicht ohne Investitionen. Deshalb sei der Tourismus momentan die einzige Branche, die investiere. Und die bekomme auch Kredite. Die Banken haben das Geld und suchen nach Möglichkeiten es zu investieren. „Und glauben an den Tourismus,“ sagt Zellmann. Es wird nicht unbedingt in Hotelneubauten investiert, eher in Umbauten, Modernisierungen, Konzepte.
Familienbetriebe vor Ressorthotellerie und Gastronomie
„Inhabergeführte Familienbetriebe haben sehr gute Aussichten auf eine erfolgreiche Zukunft“, sagt Hammerer von der Raiffeisen Bank. „Ein Zusammenspiel aus Alles für unsere Gäste, hinterlegt mit Daten, Zahlen und Fakten. Neue Wege im Marketing gehen, Digitalisierung vorantreiben, Regionalität und Nachhaltigkeit aufzeigen. Sie können Herz und Strategie verbinden! Ich bin überzeugt, dass familiengeführte Betriebe im Bereich Herzlichkeit, familiäres Flair und Authentizität die Nase vorn haben werden. Wir würden aber auch Ressorts finanzieren, wenn diese im Einklang mit unserer Natur und Kultur stehen.“
Zellmann weiß aus seiner Erfahrung bei der ÖHT, dass Banken familiengeführte Betriebe bevorzugen, die vor allem auch den Familien gehören: „Wir haben ganz oft Konstellationen, vor allem in der Gastronomie, wo der Besitzer nicht aus dem Tourismus kommt, einfach nur der Liegenschaftseigentümer ist und dementsprechend die Bank zwischen Besitzer und Betreiber keine Korrelation herstellen kann: Gesellschafter, Eigentümer, Identität etc. Und deshalb tun sich Banken bei solchen Konstellationen viel, viel schwerer, als wenn demjenigen der Grund auch gehört, der investiert.“ Das ist auch eine Ursache, warum Banken lieber in Hotelbetriebe investieren als in die Gastronomie. Und in der Gastronomie ist der operative Gewinn noch deutlich niedriger als in der Hotellerie.
Neue Konzepte im operativen Geschäft
Um weiter Kosten zu sparen, sieht Florian Zellmann Potenzial vor allem in der Zusammenarbeit von Hotelbetrieben. Aus Konkurrenten werden Partner! Da könnten die Betriebe von den Synergieeffekten aus der immer noch erfolgreichen Systemgastronomie lernen. Und zum Beispiel gemeinsam eine Prozessküche betreiben, die dann das Essen an die einzelnen Betriebe im Ort liefert. Das muss nicht auf Kosten der Qualität gehen. Man könne auch gemeinsam Schwimmbäder, Wellnessangebote oder anderes betreiben. Nicht jeder müsse alles selbst anbieten. Und das setze sich in den Ferienorten auch zunehmend durch, weiß Zellmann.
Gute Zukunftsprognosen
Insgesamt sieht Florian Zellmann im österreichischen Tourismus eine Entwicklung zu mehr Professionalität: „Da sind wir in einer Transformationsphase. Wir haben sehr, sehr lange gedacht, größer, weiter, stärker genüge, mehr Nächtigungen, mehr Bauten, mehr Betten. Das ist vorbei. Jetzt beginnen wir damit, das bestehende Produkt zu optimieren, punktuell neu auszurichten, neue Zielgruppen anzusprechen, die innerbetrieblichen Abläufe neu zu strukturieren, zu evaluieren: Wo verbrenne ich Geld? Wo macht es Sinn zu investieren? Das ganze Thema Mitarbeiter… Ja, Gott sei Dank haben die Betriebe längst erkannt, wie wichtig Human Resources für diese Branche sind.
Wir stecken mitten drin in diesem Transformationsprozess. Weil wir aus einer starken Wachstumsphase kommen. Doch die ist vorbei. Jetzt müssen wir spitzer werden auf der Angebotsseite. Der Gast der Zukunft sucht nach Erlebnissen, nach differenzierten, auf seine Ansprüche zugespitzte Angebote. Und die muss ich ihm glaubwürdig anbieten können. Dann ist er oder sie auch bereit dafür Geld auszugeben. Und übrigens ist so ein Betrieb auch attraktiver für Mitarbeiter. Grundsätzlich ist das ja auch nichts Neues: Also jedes Hotel, das nicht in einem touristischen Hotspot gelegen ist, musste sich in der Vergangenheit schon damit auseinandersetzen. Und jetzt zieht einfach der breite Markt nach.“
Andreas Hammerer fasst das so zusammen: „Konzepte mit einem Fokus auf Umweltbewusstsein, Erlebnisse (Klettern, Wandern, Mountainbiken, Skifahren), Gesundheit und Wellness, lokales Flair (Chalets, authentische Hotels) und Kulinarik. Wer diese versteht gut zu kombinieren und sein Unternehmen zu positionieren, wird für seine Dienstleistung gute Erträge erwirtschaften und gebucht werden. Natürlich gehören ein sehr gutes Controlling und wirtschaftliches Handeln dazu.“
Bild: Freepik Grafiken: Prodinger, OeHT Text: Thomas Askan Vierich
26. Juni 2025
Fragen zu Ihrer Mitgliedschaft oder möchten auch Sie von den Angeboten der HOGAST profitieren? Kontaktieren Sie uns einfach und unverbindlich.
office@hogast.at