Das Attersee ist kein gewöhnliches Gasthaus. Es ist ein Ort, wo sich Gäste wie an der Küste von Mykonos fühlen – nur eben am Attersee, mit einem Tafelspitz am Teller. Wer das Lokal betritt, spürt sofort: Das ist kein Zufall. Hier steckt eine Vision dahinter.
Und diese Vision hatten Michaela Prem und Kilian Angermeyer. Zwei Gastronomen, die mit viel Mut und jugendlichem Leichtsinn mit Anfang 20 ein heruntergewirtschaftetes Haus übernommen und innerhalb von fünf Jahren in einen wahren Hotspot der Gastroszene verwandelt haben.
„Wir sind echte Hands-on-Menschen“
Die gemeinsame Geschichte von Michaela und Kilian nahm beim Stanglwirt in Kitzbühel ihren Anfang. Nach der Tourismusschule von Michaela und der Kochlehre von Kilian lernten sich die beiden dort kennen und lieben. Es folgten gemeinsame Stationen in Wien, Niederösterreich und der Schweiz. Schnell bemerkten sie, dass sie nicht nur privat, sondern auch beruflich harmonierten. Mit einem Rucksack voller Erfahrung wuchs der Wunsch nach einem eigenen Projekt. In der F&B-Academy in Linz eigneten wir uns Wissen rund um Wareneinsatz, Controlling und Buchhaltung an, blickt Michaela zurück. Die Begegnung mit Lehrgangsleiter Eduard Altendorfer erwies sich als schicksalhaft. Edi ist unser Gastro-Papa, unser Mentor. Über ihn kamen wir auch zum ehemaligen Seehof am Attersee, erzählt Michaela. Nach der Besichtigung wussten wir sofort: Das nehmen wir, ergänzt Kilian. Wir haben die Seele des Hauses gespürt. Dass wir viel reinstecken müssen, um ihm unsere eigene Handschrift zu verleihen, wussten wir, sagen beide.
„Wir sind in eine Achterbahn eingestiegen und sie raste los“
Als sie das Restaurant im Oktober 2020 übernahmen, mitten in der Pandemie, gab es keine Baupläne, keine Elektro- oder Sanitärkonzepte – nur einen Schlüssel und eine Idee. Die Renovierung war intensiv, das erste Jahr ein Höllenritt. Wochenlang schliefen Michaela und Kilian abwechselnd nur drei Stunden, arbeiteten sieben Tage die Woche. Wir waren davor noch nie selbstständig, doch wir wussten, was es bedeutete: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Das Attersee schlug ein wie ein Blitz. Wir waren jeden Tag leer gegessen, erzählt Küchenchef Kilian.
„Ich habe jedes Lehrgeld gezahlt“
Am Anfang hat uns jeder eingeredet, dass wir im Gastgarten einen Self-Service machen müssen – weil es immer schon so war, wegen der Badegäste, erinnert sich Michaela. Doch es hat nicht funktioniert. Ich habe am 15. August noch neue Leute eingestellt und auf Bedienung umgestellt. Schlagartig bedienten wir 40 zusätzliche Tische, so die Gastgeberin, die trotz jungem Alter unbeirrt ihren Weg geht.
„Unser Lokal ist so instagramable“
Dann kamen die Lockdowns und mit ihnen die ernüchternde Erkenntnis: Jetzt haben wir länger geschlossen als wir je offen hatten. Doch ans Aufgeben dachten die Mühlviertlerin und der Bayer nie, im Gegenteil. Sie entwickelten kreative Lösungen: Ich wollte sofort dastehen und den Leuten sagen: Wir sind für euch da, wir holen euch da raus, so Michaela. Und das gelang ihnen. Wir richteten im Gastgarten einen Drive-in zur Abholung ein und sind wie die Depperten gefahren, um unser Essen auszuliefern, erinnert sich Kilian. Gott sei Dank kannten uns die Leute damals schon. Die sozialen Medien waren und sind für den Bekanntheitswert des Lokals essenziell. Seit dem Aufsperren legen wir einen starken Fokus aufs Marketing. Unser Lokal ist so instagramable. Jeder will kommen, um es sich anzuschauen. Social Media hat uns wahre Raketenkraft verliehen, verrät die 28-Jährige.
Urlaub für einen Tag
Aus den Lockdowns ging das Paar mit einem neuen Konzept für den ersten Stock des Hauses raus: eine Bar im maritimen Boho-Stil, in der man sich fühlt, als ob man Mittelmeer sitzt – mit traumhaftem Blick auf die Karibik Österreichs, den Attersee. DasBar ist ein Ort für alle, die nicht in den Urlaub fliegen können, bringt Michaela das Konzept auf den Punkt.
Schnell kristallisierte sich das hohe Potenzial der Bar heraus. Wir hatten viele Walk-ins. Kurzerhand schickten wir unsere Gäste nach oben, um gemütlich etwas zu trinken, während sie auf ihren Tisch unten im Restaurant warteten. Sobald dieser frei wurde, läutete ihr Pager, erklärt die Gastgeberin. Wir probieren immer Neues aus. Das Schlimmste wäre, stillzustehen, ergänzt Kilian.
„Der Boho-Stil verzeiht dir viel und funktioniert super mit österreichischem Holz“
Mit dem großen Erfolg der neuen Bar nahmen die beiden Gastronomen auch ihren Gastgarten kritisch in den Blick. Sie wussten, hier besteht noch Verbesserungsbedarf. Wenn ein Sturm kam, verwehte es uns die Tischdeko, die Karten gingen kaputt, die Tischdecken wurden nass. Wir verschwendeten so viel Zeit mit Aufdecken, Wegräumen, Waschen. Die Vision: ein wettersicherer Gastgarten, in dem man dennoch das Gefühl hat, draußen zu sitzen. Ich bin ein großer Fan des Boho-Stils – er verzeiht dir viel und funktioniert super mit österreichischem Holz. Ich wollte den Stil von der Bar in den Gastgarten kopieren. So ist die Idee unseres Boho-Gartens entstanden, sagt Michaela. Vier Cabanas und eine Allwettermarkise garantieren nun eine 80 %ige Überdachung und vermitteln eine Urlaubsstimmung voll Leichtigkeit und Geborgenheit, inspiriert von Trauminseln wie Mykonos oder Ibiza. Wir nutzen unseren Garten auch im Winter – mit vier Iglus, in denen sechs Personen Platz haben, und mit unseren Cabanas mit Platz für je zwölf Leute, ergänzt der 30-Jährige.
„Mut und Wahnsinn liegen ganz nah beieinander“
Im selben Jahr des Gastgartenumbaus folgten zwei weitere Meilensteine in der Erfolgsgeschichte von Michaela und Kilian. 2023 war nicht nur das Jahr, in dem wir geheiratet haben, sondern auch, in dem wir das Haus gekauft haben. Davor bezahlten die Gastronomen eine Umsatzpacht und wollten eigentlich mit den Besitzern über eine Pachtdeckelung sprechen. Doch es kam anders. Das Haus wurde uns überraschend zum Kauf angeboten. Dank der Unterstützung unseres Unternehmensberaters und des Vertrauens der Bank, die in unserer bisherigen Arbeit eine sichere Grundlage sah, wurde der Kauf möglich. So kamen wir mit 25 und 26 Jahren zu einem Haus am Attersee. Mut und Wahnsinn liegen oft nah beieinander, lacht Michaela.
„Wir haben 400 Reservierungsanrufe täglich“
Seither geht ihr Konzept eines modernen Wirtshauses mit Boho-Gastgarten voll auf. Im Sommer haben wir täglich gut 400 Reservierungsanrufe. Ohne neueste Technik – wir arbeiten mit einem KI-Anrufbeantworter und einem Online-Reservierungstool – wäre das nicht zu schaffen. Das Arbeitspensum von Michaela und Kilian ist nach wie vor enorm. Doch dank unseres Teams, das von 15 auf 50 Personen gewachsen ist, kommen wir nun auf mehr Schlaf und kürzlich war es uns das erste Mal sogar möglich, während der Betriebszeit auf Urlaub zu fahren, freut sich das junge Paar.
„Wir lieben es, wenn sie was tut“
Der Blick auf die vergangenen fünf Jahre zeigt – für Das Attersee ist die Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Es macht uns solchen Spaß, immer wieder an Neuem zu arbeiten. Wir lieben es, wenn sich etwas tut, wir lieben große Häuser. Du arbeitest auch ganz anders, und entwickelst ganz andere Kräfte, wenn etwas dir gehört, schwärmen die beiden.
Wo die Reise wohl hingeht? Unser Herz schlägt auch für die Hotellerie. Zu wissen, dass dir der Gast eine Woche seiner Lebenszeit schenkt, ist ein unglaublich schöner Gedanke, sinniert Michaela.
Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann im Das Attersee Zimmer mit Seeblick …
5 kritische Fragen an mutige Jungunternehmer
Ist es die einzigartige Lage am Attersee, die euch so erfolgreich macht? Nein. Die Pächter vor uns sind mit dieser Lage gescheitert. Der See ist nicht alles. Er ist ein wunderbarer Zusatz. Aber die Leute sollen wegen uns und unserem Konzept kommen.
Was ist euer USP? Unsere ehrliche, gute Küche – Tapas, Tapas, Tapas –, das tolle Team, die Wohlfühlatmosphäre, und natürlich der Ausblick, aber der steht nicht an erster Stelle.
Ist euer Konzept unkopierbar? Ja, weil das Konzept auf uns basiert und uns zwei gibt es nur einmal. Es ist keiner so verrückt und bietet einen Tafelspitz in einem Boho-Gastgarten an.
Wie bietet ihr dem Fachkräftemangel die Stirn? Wir rekrutieren anders. Bewerber brauchen uns keinen Lebenslauf zu schicken. Sie klicken sich durch einen eigens konzipierten Social Media Funnel, mit dem wir unsere Bewerber entsprechend der Stelle auswählen können. Wenn wir etwas näher wissen möchten, laden wir sie zum Gespräch ein. Bei uns ist das Bewerben so jung und einfach wie nur irgendwie möglich.
Außerdem fahren wir mit dem Team in Winterorte und rekrutieren in Betrieben, die im Sommer geschlossen haben. Mundpropaganda funktioniert mittlerweile auch sehr gut, wir haben ein gutes Netzwerk.Wie schafft ihr es, euer Team zu binden? Wir sind nach wie vor länger Arbeitnehmer als Arbeitgeber – wir verstehen also unsere Mitarbeiter und wissen, wie hart der Beruf ist. Erst kürzlich haben wir die Küche umgebaut, um die Arbeit zu erleichtern. Wir bezahlen jede Überstunde, bei uns gibt es keine All-in-Verträge. Essen und Trinken sind sowieso inklusive, außerdem gibt es Ermäßigungen in einem Fitnessstudio, und wir stellen unserem Team E-Bikes, Scooter und Roller zur Verfügung.
Bilder: Michael Maritsch & HOGAST/Leo Text: Eva Pohn
17. Juni 2025
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