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Gastfreundschaft, die begeistert (kommt nicht von allein)

Beim dritten Tourism Talk wurde diskutiert, wo die Chancen des Tourismus in der Zukunft liegen. Ein Schwerpunkt war sich genau anzusehen, welche Milieus und Zielgruppen man anspricht, ansprechen möchte und ansprechen kann. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Tools. Tourismusscout Thomas Askan Vierich war in München dabei und hat sich seine Gedanken gemacht.

„Der Zeitgeist ist immer in Bewegung. Der Zeitgeist diktiert oder scheint zu diktieren, wohin unsere Sehnsüchte gehen. Und welche Branche ist mehr dafür prädestiniert Sehnsüchte zu erfüllen als der Tourismus? Deshalb war es nahe liegend den Impulsvortrag bei der dritten Ausgabe des Tourismus Talks einer Zeitgeistforscherin zu übertragen.

Beim Tourismus Talk kommen alljährlich im House of Communication in München an Zukunftsthemen interessierte Touristiker in lockerer Atmosphäre zusammen und diskutieren. „Es ist kompliziert“, sagt Kirstine Fratz aus Hamburg. Und zitiert den meist verkauften bzw. gestreamten Popsong aller Zeiten: „Flowers“ von Miley Cyrus. Auch eine Hymne des neuen Feminismus, dessen Zeile „I can buy myself flowers“ heuer von vielen Frauen zum Frauentag zitiert wurde.

Alle sollen glücklich sein

Warum die Kulturwissenschaftlerin Fratz Popsongs zitiert? Weil sie zeigen will, wie sich der Zeitgeist verändert – nicht nur der Feminismus. Seit vielen Jahren wird uns das große Glücksversprechen gemacht. Es gibt immer mehr Produkte auf denen „Glück“ steht: Teemischungen, Gewürzmischungen, Tassen, T-Shirts, Urlaubspackages …. Alle sollen und können „glücklich“ sein. Positive Thinking! Dazu kann und soll auch ein Urlaub beitragen. Eine Wanderung über Salzburger Almen? Eine Segelturn rund um die griechischen Zykladen? Eine luxuriöse Ayurveda-Behandlung? Alles ein einziges Glücksversprechen und käuflich.

„Es gibt zwei Phasen des Zeitgeistes,“ erklärt Fratz. „Die Ermächtigungsphase, wenn Trendsetter einen neuen Zeitgeist setzen, Künstler, Autoren, Meinungsführer. Und dann kommt die Positionsmacht-Phase, wenn Eliten und Unternehmen diesen Zeitgeist im Eigeninteresse durchsetzen, um Produkte zu verkaufen.“ Aber spätestens dann kommt es auch zu einer Gegenbewegung. Die formuliert das momentan im Wahn der Selbstoptimierung und glücklichen Ich-AGs so: „Ich möchte lieber nicht.“

Spirit Maker

Hier kann ein innovativer Tourismus ansetzen. Er kann geschickt Störelemente setzen und damit eine Alternative zum Mainstream des Zeitgeists setzen. „Touristiker können zu Spirit Makern werden“, sagt Kirstine Fratz. „Spirit Maker haben eine Ahnung von einer neuen Zeit, sehen die Risse in der Matrix, fördern Entwicklungsgroßzügigkeit.“ Sie plädiert dafür scheinbar nicht zusammengehörige Dinge zusammenzubringen.

Das schaffe Atmosphäre, Überraschungen, neue Impulse. Eine Lesung im Hotel. Ein DJ in der Lobby. Selbstkochen statt Halbpension. Communitytables statt Vierertische. Paragliden statt Wandern. Der Tourismus als Avantgarde des Zeitgeists? Eine verlockende Vorstellung! Und war das der Tourismus nicht schon öfter? Setzten nicht einst Hotels neue Maßstäbe mit der Einführung von Lifts, Badezimmern, neuen Designs?

Zielgruppen definieren

Was wollen also Reisende von morgen und wie erreiche ich sie? Nach Antworten sucht Sascha Bartel, Professor für Tourismus in Heilbronn. Die gute Nachricht: 77 Prozent der Deutschen wollen (wieder) Urlaub machen. Und wir wissen: Viele von ihnen fahren nach Österreich. Die schlechte Nachricht: Das Urlaubsbudget wird kleiner, dank Inflation und steigender Energiepreise und sich in Deutschland eintrübender Konjunktur. Dazu kommen steigende Preise der Anbieter.

In einer Titelgeschichte des „Spiegels“ im Juni werden deutsche Urlauber zitiert, die über exorbitant gestiegene Preise klagen: Wenn 2019 eine Woche an der türkischen Riviera für eine vierköpfige Familie noch 1500 Euro gekostet hat, soll das gleiche Angebot jetzt bei manchen Anbietern 3.500 Euro kosten. Das Gleiche gilt für Italien, Griechenland oder Südtirol. Österreich wurde nicht erwähnt – immerhin. Aber auch bei uns ist es zu nachvollziehbaren und aus der Sicht der Anbieter notwendigen Preissteigerungen gekommen.

Dieses Jahr reicht es vielleicht noch (obwohl die Buchungslage für diesen Sommer nicht berauschend ist, hört man), aber was ist in den kommenden Jahren? Österreich gilt nicht als Billig-Tourismus-Land (Gott sei Dank). Also muss man sich anstrengen im heimischen Tourismus. Bartel rät: „Flexibel, nachhaltig und authentisch sein. Zielgruppen segmentieren, erreichen, konvertieren, binden. Unsere Zahlen sagen: Es gibt immer weniger Stammkunden.“ Deshalb müsse man Kundendaten kreieren und analysieren, Stichwort Big Data, um wirklich zu wissen, wen man anspricht und wen nicht. Dazu gibt es verschiedene Tools: Die Sinus-Milieus, Limbic, Value Planning oder den NE.R.O.-Crawler.

Value Planning untersucht unsere Werte und Emotionen, weil die unser (Kauf-)Verhalten bestimmen. Deshalb scannt zum Beispiel die GfK in Nürnberg unser Kaufverhalten. Der NE.R.O-Crawler scannt generell unser Online-Verhalten (nachdem es nicht mehr so einfach via Cookies geht). Daraus kann man wiederum ableiten, wer sich wann wofür interessiert. Und daraus kann man auch wertvolle Informationen über das Buchungsverhalten von potenziellen Gästen generieren, um sie gezielter anzusprechen. Das Unternehmen Thaltegos bietet so etwas an.

Die Sinus-Milieus

Jan Hecht ist Associate Director bei Sinus und zeigt die aktuelle Map der Sinus-Milieus. Er beklagt, dass speziell in Österreich alle Touristiker die Milieus „oben rechts“ avisieren. Natürlich, das sind die auf den ersten Blick interessantesten: Das „Expeditive Milieu“, das „Milieu der Performer“ und das „Neo-Ökologische Milieu“ – sozusagen die „neue Elite“, sexy, zahlungskräftig, aufgeschlossen.

Das sagt Sinus zu diesen drei Milieus:

Expeditives Milieu: „Die ambitionierte kreative Bohème: Urban, hip, digital, kosmopolitisch und vernetzt; auf der Suche nach neuen Grenzen und unkonventionellen Erfahrungen, Lösungen und Erfolgen; ausgeprägte Selbstdarstellungskompetenz, Selbstbild als postmoderne Elite.“ Typischer Wohnort: Berlin-Mitte (Österreich vielleicht: Wien-Leopoldstadt)

Milieu der Performer: „Die effizienzorientierte und fortschrittsoptimistische Leistungselite: globalökonomisches und liberales Denken; gesamtgesellschaftliche Perspektive auf der Basis von Eigenverantwortung; Selbstbild als Stil- und Konsum-Pioniere; hohe Technik- und Digital-Affinität. Typischer Wohnort: Hamburg-Rotherbaum (Österreich: Graz-Innenstadt)

Neo-Ökologisches Milieu: „Die Treiber der globalen Transformation: Optimismus und Aufbruchsmentalität bei gleichzeitig ausgeprägtem Problembewusstsein für die planetaren Herausforderungen; offen für neue Wertesynthesen: Disruption und Pragmatismus, Erfolg und Nachhaltigkeit, Party und Protest; Selbstbild als progressive Realisten; Umwelt- und klimasensibler Lebensstil. Typischer Wohnort: Berlin-Friedrichshain. (Österreich: Wien-Neubau)

Das sind die Zielgruppen, die der (innovative) Tourismus in Österreich anvisiert, sagt Professor Bartel. Und beklagt, dass man damit viele andere interessante Milieus außer Acht lässt. „Wenn alle im gleichen Teich fischen, bleibt wenig für den Einzelnen übrig.“ Warum nicht das „Konservativ-gehobene Milieu“ ansprechen? Oder das „Postmaterielle Milieu“. Oder die „Adaptiv-Pragmatischen Mitte“, mit 14 Prozent Anteil in Österreich immerhin das größte Milieu und in Deutschland gemeinsam mit dem „Postmateriellen Milieu“ mit 12 Prozent auch stark vertreten.

Konservativ-Gehobenes Milieu: „Die alte strukturkonservative Elite: klassische Verantwortungs- und Erfolgsethik sowie Exklusivitäts- und Statusansprüche; Wunsch nach Ordnung und Balance; Selbstbild als Fels in der Brandung postmoderner Beliebigkeit; Erosion der gesellschaftlichen Führungsrolle. Typischer Wohnort: Berlin-Heiligensee (Österreich: Ausseer Land)

Postmaterielles Milieu: „Engagiert-souveräne Bildungselite mit postmateriellen Wurzeln: Selbstbestimmung und -entfaltung sowie auch Gemeinwohlorientierung; Verfechter von Post-Wachstum, Nachhaltigkeit, diskriminierungsfreien Verhältnissen und Diversität; Selbstbild als gesellschaftliches Korrektiv. Beispiel Wohnort: Wiesbaden-Sonnenberg (Österreich: Wien-Josefstadt oder Innsbruck)

Adaptiv-Pragmatische Mitte: „Der moderne Mainstream: Anpassungs- und Leistungsbereitschaft, Nützlichkeitsdenken, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung; starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit; wachsende Unzufriedenheit und Verunsicherung aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung; Selbstbild als flexible Pragmatiker. Beispiel Wohnort: Dresden-Johannstadt (Österreich: Salzburg-Stadt)

© SINUS

Positionierung

Jetzt geht es darum seinen Tourismusbetrieb richtig zu positionieren. Was heißt das? Man muss seine Marke definieren. Dazu braucht es viele interne Diskussionen – auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dann analysiert man das Nutzungsverhalten der anvisierten Gruppe (oder Gruppen) – und was man ihnen bieten kann und muss. Und dann schaut man sich an, was das budgetmäßig bedeutet und ob man das leisten kann.

Dazu bietet Sinus Workshops an, schult die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dort werden Fragen gestellt wie: „Was haben wir für Gäste? Wollen wir die? Was KÖNNTEN wir für Gäste haben?“ Jens Hecht empfiehlt drei Wunsch-Milieus zu definieren und anzusprechen. Aber die müssen auch zu einem selbst passen, zur Tradition des Hauses, zur Persönlichkeit der Inhaber und der Mitarbeiter. Und das Ganze muss vor allem auch ökonomisch Sinn machen.

Wenn man sich auf eine Positionierung Richtung bestimmter Milieus geeinigt hat, helfen einem neue Technologien. ChatGPT kann zum Beispiel zielgruppenspezifische Texte auf der Homepage, in E-Mails oder im Newsletter formulieren. Man kann auch verschiedene Texte formulieren (lassen), in verschiedenen Stilen, und sich ansehen, welche besser performen.

Und wenn man das alles erledigt und installiert hat, wer weiß, vielleicht wird man dann zum Spirit Maker. Indem man nicht nur einfach die Erwartungen seiner Zielgruppe erfüllt, sondern sie vielleicht ein bisschen bricht, sie überrascht und damit begeistert, ihre Erwartungen übererfüllt. Denn nur den Zeitgeist abzubilden und hinterherzulaufen, das heißt, dem Klischee des jeweiligen Sinus-Milieus zu entsprechen, ist auch öde. Das ist schlechte Systemgastronomie oder Kettenhotellerie. Das fühlt sich an wie vom Reißbrett, was es ja auch in den meisten Fällen ist. Das kann die individuelle Gastronomie und eigentümergeführte, mittelständische heimische Hotellerie besser. Das ist ihre große Chance: Persönlichkeit + Marktanalyse + Kreativität + die nötige Technik: Das ist Gastfreundschaft, die begeistert. Auch in Zukunft.

Beitrag: Thomas Askan Vierich
Titelbild: Unsplash
27. Juni 2023
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