In den USA arbeiten verschiedene Tech-Konzerne an einer neuen Stufe der Vernetzung von Mensch und Maschine. Das geht so weit, dass Gedanken und Emotionen maschinell gelesen, ausgewertet und beeinflusst werden können. Klingt gruselig, wird aber vermutlich dennoch kommen, weil sich hier viel Geld verdienen lässt. Auch in der Hotellerie.
Vergessen sie diese kleinen Serviceroboter, die den Roomservice ersetzen sollen und das in einigen „Smart-Hotels“ auch schon tun. Vergessen Sie auch den Self-Check-in-Roboter, der die Rezeptionistin ersetzt oder ergänzt. Oder den Reinigungsroboter, der den Teppichboden selbststeuernd saugt. Alles mehr oder wenig nette Gimmicks. Kann man machen.
Warum nicht Gegenstände mit Hilfe von Gedanken steuern? Warum nicht ganze Gebäude, Restaurants, Hotels oder Zimmer an das Befinden der jeweiligen Nutzer anpassen? Indem man ihre Gedanken und ihre Stimmungen liest? Und so auch feststellen kann, ob die Musik nicht vielleicht zu laut, das Licht zu hell oder die Beduftung wirklich angenehm ist. Damit erhöht man nicht nur die Zufriedenheit der Gäste, sondern auch deren Konsumverhalten. Der Mensch ist manipulierbar. Let’s do it! Alles was wir dafür brauchen sind so genannnte „BCI“, also Brain-Computer-Interfaces, Verbindungen zwischen unseren Gehirnen und den jeweiligen Maschinen und Sensoren. Und daran wird eifrig geforscht und entwickelt.
Vorreiter und Lautsprecher für diese Entwicklung ist der Tausendsassa Elon Musk, der Erfinder des marktgerechten E-Autos (Tesla), des touristischen Reisens in den Weltraum mit dem Endziel der Gründung einer Marskolonie (SpaceX) oder eines unterirdischen Highspeed-Zugs (Boring Company), der unsere Transportsysteme revolutionieren könnte. Was auf den ersten Blick wie Spinnerei eines Menschen mit zu viel Fantasie und zu viel Geld klingt, hat sich zum Teil schon als sehr realistisch und letztlich auch gewinnbringend herausgestellt (Tesla, vielleicht SpaceX). Musks neueste Firma heißt Neuralink und beschäftigt sich mit Consensual Telepathy (also einvernehmlicher Telepathie). Ziel von Neuralink ist die Entwicklung eines Gerätes zur Kommunikation zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern, ein sogenanntes Brain-Computer-Interface (BCI).
Medizinische Anwendungen via Manipulierung des Gehirns gibt es schon: Bei der Deep-Brain-Stimulation zur Behandlung von Parkinson stimulieren Elektroden im Gehirn bestimmte Bereiche. Mit Cochlea-Implantaten kann man das Hör- und Sehvermögen wiederherstellen. Es gibt auch schon sensorisch-motorische Prothesen, die durch Gedanken gesteuert werden können. Angeblich kann man so auch schon Drohnen steuern. Die US-Firma Cyberkinetics arbeitet an der BrainGate-Technologie: noninvasive Headsets sind direkt mit dem Gehirn vernetzt. Die minimalinvasive Elektrokortikographie liest Signale direkt von der Oberfläche des Kortex im Hirn. Oder es werden in den Blutkreislauf injizierte Substanzen dafür benutzt, in den Gehirnzwischenräumen Parallelstrukturen aufzubauen. Wohlgemerkt: Dies dient alles medizinischen Zwecken, um Menschen zu helfen, denen man bisher nicht helfen konnte.
Musk geht einen Schritt weiter: Er will nicht nur die Medizin revolutionieren, er zielt auf eine allgemein zugängliche Optimierung des Gehirns, um daraus ein Geschäft zu machen. Musk kritisiert die künstliche Intelligenz (KI), weil sie zu schnell wachse und bald nicht mehr kontrollierbar sei. Deshalb will er das Gehirn optimieren, damit wir nicht zur Hauskatze der KI werden, wie er wiederholt formuliert hat. Tim Urban zitiert Elon Musk in seinem Artikel “Neuralink and the Brain’s Magical Future” auf https://waitbutwhy.com: „Wenn ein Wissenschaftler darüber nachdenkt, die grundlegende Natur des Lebens zu verändern – Viren zu erzeugen, Gene zu verändern – malt dies ein Schreckgespenst an die Wand, das viele Biologen als ziemlich besorgniserregend empfinden.
Während es den Neurowissenschaftlern, die ich kenne, wenn sie über Chips im Gehirn nachdenken, nicht so fremd zu sein scheint, weil wir bereits Chips im Gehirn haben. Wir haben eine tiefe Hirnstimulation, um die Symptome der Parkinson-Krankheit zu lindern, wir haben frühe Versuche mit Chips, um das Sehvermögen wiederherzustellen, wir haben das Cochlea-Implantat – für uns scheint es also keine große Anstrengung zu sein, Geräte in ein Gehirn zu stecken, um Informationen auszulesen und Informationen wieder einzulesen.”
Auf der Website von Neuralink heißt es: “Unser Link ist der Beginn einer neuen Art von Gehirn-Oberfläche. Im Fortschreiten unserer Technologie können wir die Kommunikationskanäle mit dem Gehirn ausbauen, mehr Bereiche im Gehirn ansprechen und neue Arten von neuronaler Informationen kreieren. Diese Technolgie hat das Potenzial eine Vielzahl an neurologischen Krankheiten zu behandeln, sensorische und physische Bewegungseinschränkungen auszugleichen und letztendlich die Art wie wir miteinander interagieren, mit der Welt und mit uns selbst, zu verändern.“
Man kann grundsätzlich auf zwei Bereiche im Gehirn einwirken: Auf das limbische System, das Affekte und Gefühle steuert. Und auf den Kortex, der für rationale Gedanken und Logik zuständig ist. Man will das über BMIs erreichen. Bei Facebook arbeiten rund 60 Wissenschaftler daran, auf Gedanken zuzugreifen, Gedanken zu lesen und gedankengesteuert schriftlich zu kommunizieren – ob für rein medizinische Belange sei dahingestellt. Die Firma Emotiv verkauft Headsets für die gedankliche Kontrolle von Gegenständen und Anwendungen im Neuromarketing. Da gibt es zum Beispiel das Headset Epoc X, das Gehirnströme messen kann und so Hirndaten liefert. Das Insight Headset ist ein tragbares EEG-Gerät. Laut Homepage sind diese Devices ausdrücklich NICHT für medizinische Zwecke zugelassen (zumindest nicht in der EU). Sie dienen rein „wissenschaftlichen“ oder „privaten“ Zwecken. Und kosten 850 respektive 299 Dollar.
Helfer für diese Brain-Computer-Interfaces sind Sensoren in Räumen, die Licht, Klang, Geruch, Klima und den Effekt auf die Stimmung einer Person messen und steuern. So wird das gedankliche Bild einer Person entworfen und messbar. Damit lässt sich das Wohlbefinden dieser Person steuern und steigern.
Michael Carl, Managing Director bei Research & Consulting, schreibt dazu in seiner Studie “Thought Control – Die Geschäftsmodelle der Mensch-Maschine-Telepathie“ für 2bAHEAD: „Es geht darum Informationen über das Befinden und den Zustand einer Person kontrolliert zugänglich zu machen und zu steuern. Es geht um den Prozess der menschlichen Entscheidungsfindung.“ Das menschliche Gehirn sei nicht vorbereitet auf die zunehmende Komplexität unserer Welt. Daran seien schon andere Imperien zugrunde gegangen. Damit folgt er der Argumentation von Elon Musk. Wir müssen so etwas entwickeln, damit nicht uns eines Tages die KI kontrolliert…
Richard Pak, Professor am Department für Psychologie an der Clemson University in den USA, schreibt im Vorwort zum Insight Report „Designing Artificial Intelligence Technologies for Older Adults“ für das World Economic Forum (8/21): „Künstliche Intelligenz wird wahrscheinlich eine der transformativsten Technologien sein, die die menschliche Gesellschaft betreffen wird. Sie wird sich auf viele Bereiche der menschlichen Erfahrung auswirken: von persönlichen Interaktionen mit KI (digitale Assistenten, selbstfahrende Autos) über KI-gesteuertes Design und Managemnent von Organisationen (z.B. die Frage, wen man in einem Unternehmen anstellt) oder auch von Städten.“ Und er warnt davor, die „Pandora-Box“ nicht leichtfertig zu öffnen. Auch und vor allem nicht im vermeintlichen Dienst für ältere Menschen, denen man diese Technik als Erstes anbieten wird, um ihren Alltag zu „erleichtern“ – in Form von allen möglichen Applikationen, Hör- und Sehhilfen, stimmegesteuerten Devices und Smart Homes.
Kommerziell wird vermutlich die Entertainment- und Gaming-Industrie als Erstes auf den Zug aufspringen. Computerspiele werden auf die Persönlichkeit der Spieler zugeschnitten und passen sich aktiv deren Erleben an. Es kommt zu einem „kognitiven Feedback“: Die Spieler tragen die oben erwähnten Headsets und das Spiel ändert sich aufgrund der über sie empfangenen Hirnströme. Auf Basis dieser Hirndaten kann man auch Arbeitsumgebungen anpassen, damit sie noch motivierender werden. Der Einzelhandel kann das Wohlbefinden (und Kaufverhalten) seiner Kunden steuern – und damit etwas anbieten, was der Onlinehandel nicht kann. Endlich kommt der stationäre Handel wieder in die Vorhand. Für viele eine verlockende Vorstellung.
Oder wir können via Gedanken Gegenstände in unserer Umgebung kontrollieren und steuern: Drohnen oder das Smart Home 2.0. Das könnte auch die Sicherheitsangebote in Gebäuden verbessern. Wenn eine Panik ausbricht, verändern sich die Lichtverhältnisse und es werden Hinweisschilder eingeblendet und so weiter. Auch die Erfolge von Wellnessangeboten können so messbar werden – erste Ansätze dazu gibt es bereits. Wohngebäude reagieren auf die Stimmung ihrer Bewohner und beeinflussen diese positiv. Der Traum von Architekten, Immobilenverwaltern und Hotelbetreibern wird wahr: Wir bekommen wirklich flexible Gebäude.
Ein gestresster Gast betritt die Lobby: Sofort wechselt die elektronische Tanzmusik zu Mozartklängen. Zwei Menschen betreten ein Hotelzimmer. Sensoren nehmen wahr, dass sich hier etwas Erotisches anbahnt. Schon fährt die versenkte Hausbar hoch, animierende Musik ertönt, die Raumtemperatur klettert ein paar Grade nach oben. Alles zur Zufriedenheit des Gastes, der gerne wiederkommt.
Brave New World.
Bilder: Josh Riemer/Unsplash, EMOTIV.com
Beitrag: Thomas Askan Vierich
4. Oktober 2021
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