www.hogast.com Icon hogast.com Webseite office@hogast.at Icon Emailadresse +43 6246 / 8963-0Icon Telefonnummer Logins Icon Schliesen
myHOGAST öffnen Lieferpartner Zugang
HOGASTJOB öffnen
HOME Das Comeback eines niedergelegenen Skiresorts

Das Comeback eines niedergelegenen Skiresorts

Nicht nur in den Alpen sind Skigebiete unter der Baumgrenze vom Klimawandel betroffen. Auch in Vermont (USA) schloss vor zehn Jahren ein bekanntes Resort aufgrund von Schneemangel und Missmanagement und drohte die benachbarte Gemeinde mit in den Untergang zu reißen – bis die sich wehrte. Gemeinsam. Darin vielleicht ein Vorbild für manche österreichische Gemeinde.

Mount Ascutney, knapp 1000 Meter hoch, liegt im südlichen Vermont, in den Green Mountains. Ein bisschen schauen die Berge hier aus wie die Nockberge in Kärnten, nur niedriger. Sie werden gemeinhin zu den Appalachen gerechnet (obwohl das geologisch nicht ganz korrekt ist), wie die nahegelegenen White Mountains in New Hampshire. Dort hat es auch in den letzten Jahren immer geschneit. Nicht am Mount Ascutney, hier hat oft nur der Wind geblasen. Der hat auch alle Skitouristen verweht, die seit den 1930er Jahren hierher kamen. Die Green Mountains tragen ihren Namen nicht ohne Grund. Und das ist durch den Klimawandel noch deutlicher geworden.

Noch vor wenigen Jahren bot des Resort 90 km Pisten mit 50 Abfahrten, es gab schnelle Sessellifte. Die gibt es seit 2010 nicht mehr. Damals machte man dicht, nachdem zuvor eine private Gesellschaft das Resort gekauft hatte mit dem Versprechen es wiederzubeleben. Zwei Jahre später war davon nichts mehr zu hören. Bald drohte auch der benachbarte Ort, die 1000-Seelen-Gemeinde West Windsor dicht zu machen. Denn dort lebte man hauptsächlich vom Skitourismus.

Mount Ascutney: Der Ort hat einen Berg gerettet, damit hat der Berg den Ort gerettet

Investoren ziehen sich zurück

Ein Schelm wer da nicht an viele nieder gelegene kleinere Familienresorts in den österreichischen Alpen denkt, vor allem in Ostösterreich und der Steiermark: St. Corona, der Semmering oder Gaissau-Hintersee im Salzburger Land. Hier sind auch zB falsche Versprechungen von Großinvestoren, Schneemangel und ausbleibende (Tages-)Touristen zusammengekommen. Und Besserung nicht wirklich in Sicht – trotz immer wieder neuer Investoren am Semmering.

Zunächst fielen in West Windsor die Immobilienpreise – vor allem Appartments waren plötzlich für weniger als die Hälfte zu haben. Der General Store, so etwas wie das Ortszentrum der kleinen Gemeinde, ging pleite. Also beschloss die Gemeinde mit Hilfe des Staats Vermont und der Non-Profit-Organisation Trust for Public Land das Skigebiet 2015 zu kaufen, um es selbst zu managen. Eine andere Chance hatten sie nicht, weil es in West Windsor sonst keine alternative Einnahmequellen gab. Der Berg musste helfen. Aber nicht wie vorher privat in Gewinnabsicht gelenkt, sondern im Eigentum der Kommune, der Bürger selbst. Und zwar in Richtung Nachhaltigkeit, Gemeinwirtschaft. Profite sollten der Gemeinde zugute kommen. Das sind für amerikanische Verhältnisse schon recht sozialistische Gedanken.

Aber manchmal hilft Sozialismus. Sogar in den Vereinigten Staaten, wo eine allgemeine Krankenversicherung bekanntlich den Ruch des Kommunismus trägt. Vermont, der idyllische, sanft gebirgige Staat im Nordosten der USA, zählt zu den beliebtesten Urlaubszielen in den USA. Im Jahr 2000 ergab eine Volkszählung, dass 15 Prozent aller Häuser im Staat dem Tourismus dienten – häufig als Zweitwohnsitz. Diese Zahl wird in den USA nur noch von Maine übertroffen. Vermont gilt auch als liberal: Hier wurde 1999 homsexuellen Paaren erlaubt zu heiraten, zum ersten Mal in den USA. Vermont ist auch der Heimatstaat von Bernie Sanders, dem Führer eines dritten, grünen Wegs in der US-amerikanischen Politik.

Wiederaufstieg mit Gemeinsinn

Heute sind Mount Ascutney und West Windsor wieder touristische Magneten – und zwar ganzjährig. Zielgruppe sind Familien und Outdoor-Enthusiasten – nicht nur Skifahrer, aber die auch. Die Population von West Windsor hat um 20 Prozent zugelegt, die Immobilienpreise haben sich mehr als verdoppelt. Es gibt wieder einen General Store, der hauptsächlich regionale Produkte verkauft: unter anderem Craftbeer, Wagyu-Rind aus Vermont und Ziegenfleisch vom lokalen Züchter. Auch der Laden gehörte der Gemeinde, er wurde für 1 Dollar pro Jahr an die Betreiber vermietet – mit der Option ihn jederzeit kaufen zu können. Was sie vor kurzem getan haben.

Grund für den Wiederaufsteig ist die Non-Profit-Organisation Ascutney Outdoors, die von 100 Freiwilligen betrieben wird. Es gibt keine High-Speed-Quads und Sessellifte mehr und auch keine Schneekanonen. Statt der Sessellifte fährt jetzt ein Schlepplift und eine Seillift für Snow-Tubing, eine Art Rodeln, was bei Kindern sehr beliebt ist. Es gibt nur noch zehn Pisten – dafür mit Naturschnee. Die Liftkarten sind günstig, eine Saisonkarte kostet 100 Dollar. Betrieben werden die Lifte nur am Wochenende und nur wenn genügend Schnee vorhanden ist. Für den Betrieb an einem belebten Wochenende braucht man dafür 40 Freiwillige. Die höheren Lagen am Berg sind für Skitourengeher reserviert. Donnerstags gibt es ein Nachtrennen unter Flutlicht, jeden Nachmittag Angebote für Kinder. Im Tal wurde ein neues großes Outdoor-Center gebaut.

Das ist nicht nur für amerikanische Verhältnisse sehr klein gedacht. Von Superlativen ist hier nicht mehr die Rede. Dafür viel von Nachhaltigkeit, Gemeinsinn, Flexibilität, sanftem Tourismus. Abseits des Winters kann man wandern oder mountainbiken – auf 45 Kilometern ausgebauten Strecken. Der Mount Ascutney State Park, zu dem mittlerweile auch ein Teil der ehemaligen Skipisten gehört, ist eine beliebte Location für Hang-Gliding. „Wenn wir Schnee haben, fahren wir Ski. Wenn wir keinen haben, machen wir andere Sachen“, sagt Glenn Seward der „New York Times“. Er war früher der Chef des privaten Resorts und ist das Gleiche heute bei Ascutney Outdoors – nur erfolgreicher.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Ascutney Outdoors (@ascutneyoutdoors)

Skiresorts in Schwierigkeiten

So konnten sie am Mount Ascutney den Tourismus retten, der hier eine lange Tradition hat. 1946 wurde der erste Schlepplift gebaut. Seit den 1980ern versuchte man die notorisch schlechte Schneesicherheit durch immer mehr Technik auszugleichen. Das kostete viel Geld und führte schon 1991 zum ersten Bankrott der Betreiberfirma. 2010 folgte der nächste und scheinbar endgültige. In New England gibt es 89 Skiareas in sechs Staaten. Eine Studie von 2019 geht davon aus, dass bis 2050 mindestens die Hälfte dicht machen muss.

In New England wird es immer wärmer, schneller als in den meisten Gegenden des Planeten. Zwischen 1900 und 2020 stieg die Durchschnittstemperatur um 5,25 Grad. Also müssen sich die touristischen Orte wie West Windsor eine Alternative zum Skifahren überlegen. Das ist ihnen mit regionaler Kulinarik, sanftem Ganzjahrestourismus, weniger Einsatz von Technik und einem bescheidener auftretendem Gemeinsinn gelungen.

Österreichische Beispiele

In Gaissau-Hintersee im Salzburger Land hat man nach zwei Jahren Stillstand und laufenden Konkursverfahren heuer wieder den Betrieb aufgenommen. Auch hier arbeiten alle lokalen Kräfte zusammen. Auf ausländische Investoren will man künftig nicht mehr setzen. Ob sich das alles wirtschaftlich rechnet, ist aber noch unklar.

Andere österreichische Täler, die mit den höher gelegenen Top-Skigebieten nicht mehr mithalten können, setzen ebenfalls auf Familienfreundlichkeit und Weniger-ist-mehr. Zum Beispiel im Raurisertal, ebenfalls Salzburg, nennt man das „Die besonnene Art des Skigenusses“ – mit „nur“ 32 Pistenkilometern und eigener Stromversorgung. Neben den klassischen Skifahreren spricht man Rodler und Tourengeher an. Für Erstere gibt es eine zwei Kilometer lange Bahn, zweimal pro Woche abends mit Flutlicht.

Für Tourengeher werden markierte Aufstiegsrouten und Abfahrtsmöglichkeiten jenseits präparierter Pisten angeboten. Es gibt sogar Angebote für Eiskletterer – in der Eisarena Kolm Saigurn. Und einen markierten Schneeschuhtrail und Loipen für Langläufer auf Höhenlagen mit Panoramablick.

Wenig kann viel bewirken

Da können die Vermonter noch von den Salzburgern lernen. Aber das Bemerkenswerte an West Windsor ist ja nicht die Vielfalt des Angebots und die touristische Professionalität. Die ist in Österreich sicher höher – fast überall. Das Besondere am Beispiel Vermont ist, dass man auch mit wenig schon sehr viel erreichen kann. Mit wenigem, das man jetzt anders macht.

Zwei Lifte, ein General Store mit komplett neuem, vor allem regionalen Angebot, die Zusammenarbeit aller Bürger und ein Freiwilligenheer, das in einem Betrieb mitarbeitet, der der Gemeinde gehört, konnten einem dem Unterhang geweihten Skigebiet und Gemeinwesen zu neuer Blüte verhelfen. Das sollte auch denjenigen Ortschaften in Österreich, die noch nicht so weit wie Rauris sind, Mut machen. Der alleinige Verweis auf eine lange, tolle Tradition wie am Semmering und anderswo (z.B. Gastein) hätte auch am Mount Ascutny nicht geholfen.

Tolle Bilder vom Resort auf Instagram.
Aktuelle Studie zu diesem Thema der UNI Innsbruck (Feb 2022).
Bilder: Mount Ascutney Outdoors
Beitrag: Thomas Askan Vierich
10. Februar 2022
Zurück Nächster Artikel
office@hogast.at T: +43 (0)6246 8963 - 0
F: +43 (0)6246 8963 - 990

Fragen zu Ihrer Mitgliedschaft oder möchten auch Sie von den Angeboten der HOGAST profitieren? Kontaktieren Sie uns einfach und unverbindlich.

office@hogast.at
Icon Werben Werben im
HOGAST-BLOG/MAGAZIN Icon Werben