Beim Digital Restaurant Day wurden in Frankfurt am Main Möglichkeiten präsentiert, wie man mit Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz Kosten und Ressourcen sparen, Kunden binden und neu ansprechen und vor allem eine immer dünner werdende Personaldecke ausgleichen kann. Vor allem in der Systemgastronomie. Aber auch die klassische Gastronomie kann sich hier einiges abschauen. Trendscout Thomas Askan Vierich war vor Ort in Frankfurt.
Coffee Fellows, eine deutsche Coffeeshop-Kette, hat im Herbst eine App entwickelt, um Gäste kennen zu lernen und an sich zu binden, erzählt Sybille Stauch, Leiterin Marketing. Sie wollen auch QR-Codes an ihren Tischen einführen, über die man bestellen kann. Das haben sie schon erfolgreich ausprobiert und festgestellt, dass dann um 20-30 Prozent mehr (!) bestellt wird. Und sie haben auch festgestellt, dass Cashless MEHR Trinkgeld generiert.
Niko Raschhofer, Geschäftsführer der Niko Raschhofer Gastronomie KG – the naked Indigo in Innsbruck, warnt vor zu viel Digitalisierung, man dürfe weder den Gast noch den Mitarbeiter überfordern. Aber auch er setzt QR-Codes am Tisch ein. Und vor allem lässt er sich bei der Personalplanung von der KI helfen: „Wir haben drinnen 80 Plätze, aber draußen 280. Das ließe sich ohne KI gar nicht mehr managen.“
Kai Hemm, Business Administration Manager & Prokurist, Vila Vita Marburg, warnt: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck“, werde aber mittlerweile vom Gast erwartet, besonders von jüngeren. Thomas Hoffstiepel vom Digitalierungsberater 42, der mit Hemm bei der Digitalisierung zusammen arbeitet, zählt auf, was alles zu einem digitalen Netzwerk gehören kann: Servertechnik, Hotelsoftware, Self Ordering, Cloud, Hosting, Hardware, Schanksystem, Videoüberwachung, POS mobil, Gäste-WLAN, Tischreservierung, E-Bon, Warenwirtschaft, Payment, Personalmanagment, Bonmonitor, Digital Guest Journey.
Deshalb sagt Peter Schimpl, Vice President Digital & IT, FR L’Osteria SE: „Das Gesamtbild ist wichtig, man muss eine digitale Strategie haben. Man muss auch den Erfolg der gesetzten Maßnahmen messen (können).“ Sie versuchen die Gäste bei Tischreservierungen vom Telefon wegzubringen, weil das zu fehleranfällig sei. Und wollen ebenfalls QR-Codes am Tisch einführen, „weil das so erfolgreich ist.“
Robert Greller, Head of Digital, beim Burger-Franchise-Geber Peter Pane, schwärmt davon, wie man mittels KI die Atmosphäre im Gastraum steuern kann. Sensoren messen permanent die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, sogar den CO2-Gehalt der Luft und auch die Lautstärke der Musik – und passen diese Parameter automatisch an – oder es wird eine Meldung auf das Handy des zuständigen Mitarbeiters geschickt: „Musik lauter/leiser!“. Mit Sensoren kann man auch den Flüssigkeitsstand im Bierfass messen oder dem Barkeeper über eine VR-Brille Mixrezepte einblenden.
Ragnar Kruse von AI.Hamburg ist einer von den im 1. Teil dieses Textes erwähnten „Digitalisierungspredigern“ – natürlich im eigenen Interesse. Immerhin ist er schon Jahrzehnte im Geschäft und erzählt, dass bei Microsoft mittlerweile 10.000 Leute an der Weiterentwicklung von AI arbeiten. Laut einer Gartner-Vorausssage sollen 2030 90 Prozent aller Blockbusterfilme AI generiert sein und 2025 30 Prozent aller Marketingbotschaften. Fragt sich, ob man sich darauf freuen soll. Vermutlich ist diese Entwicklung aber unaufhaltsam. Kruse prognostiziert, dass bald in vielen Restaurants und Hotels ein Chatbot ans Telefon gehen wird.
Sven Steinkuhl, Geschäftsführer des Softwareentwicklers Nesto und Dirk Schlütter, Gründer und Geschäftsführer der Restaurantkette Purino arbeiten zusammen, um KI-unterstützte Dienstpläne punktgenau zu justieren. Herkömmliche Personalplanung würde zu 20-30 Prozent entgangenem Gewinn führen, weil zu wenig Personal vor Ort sei, vor allem in den Randzeiten. Sie plädieren für „Agieren statt Reagieren“.
KI unterstützt könne ein Dienstplan für einen ganzen Monat in Sekunden erstellt werden (sie führen es live vor) – anhand eines Live-Forecasts, gefüttert mit historische Umsatzdaten und weiteren Daten (Wetter, Verkehr, Veranstaltungen). Daraus wird ein Vorschlag optimaler Schichten erstellt, mit überlappenden Schichten, Spitzenzeiten, der Nutzung von Pausenzeiten. Daraus ergibt sich eine optimale Zuteilung von Mitarbeitern unter Berücksichtigung von Gesetzen, Wünschen, Abwesenheiten, persönlichen Präferenzen und Vertragsarten.
Dirk Schlütter sagt: „Wir haben schon immer intensiv geplant mit Excel-Tabellen. Das geht jetzt mit Nesto viel einfacher. Wir konnten unsere Personalkosten um 4 Prozent senken bei einer deutlich gestiegenen Mitarbeiterzufriedenheit und höheren Umsätzen. Wir konnten Fehlbesetzungen stark reduzieren.“
Prof. Dr. Valentin Weislämle, Studiengangsleiter BWL-Tourismus, Hotellerie und Gastronomie an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, sagt: „Die Not ist groß. Entweder man setzt auf Digitalisierung und Automatisierung oder man kann bald schließen. Das gilt auch für kleinere Betriebe. Die Technik hat aufgeholt und ermöglicht, dass sich das Personal noch um den Gast kümmern kann. Und die Digitalisierung vermeidet Food Waste.
Man kann die KI und AI auch für Spiele und Storytelling einsetzen, zeigen woher die Zutaten kommen. Die Servicegeschwindigkeit wird erhöht durch digitale Assistenten. Automatisiertes Marketing (Geburtstage, Erinnerungen) ist möglich. Der Kunde ist darauf angewiesen, Daten weiter zu geben, um einen Tisch zu bekommen. Die Gastronomiewelt ändert sich. In Hotels wird die Minibar durch Serviceroboter ersetzt.“
Peter Schimpl, Vice President Digital & IT, FR L’Osteria SE: „Servierroboter sind zu langsam, auch Abräumer sind noch langsam. Besser Automatisierung in der Küche einsetzen: Spüler, Zubereitung einfacher Speisen. Das geht aber nicht in offenen Küchen. Chatbots funktionieren noch nicht fehlerfrei. Positiv ist, dass man mittels KI eine Qualitätssicherung einführen kann: Wie lange steht die Ware in der Ausgabe? Ist die Pizza richtig belegt?“
Katharina Blöcher, Co-Initiatorin, Foodservice Digital Hub: „Was ist wenn KI Entscheidungen fällt? Wie sieht es mit der Akzeptanz beim Personal aus, wenn jeder Schritt von Kameras überwacht und aufgezeichnet wird, um Prozesse zu analysieren und dann Entscheidungen zu fällen?“
Es gibt Grenzen der Digitalisierung. Sie muss zur Marke passen, nicht alles geht überall (offene Küche, Roboter im Gasthaus am Land). Was passiert, wenn Probleme auftauchen, die Technik versagt? Dann muss es immer noch das Backup Mensch geben. Das Restaurant der Zukunft wird eines mit Konzept und Technologie sein. Das Handy wird das passende Restaurant aussuchen, dort wird man von einem Chatbot oder Roboter begrüßt, aber von Menschen bedient. Restaurants werden aussehen wie heute, aber im Hintergrund wird vieles digitalisiert und automatisiert sein. Das ist zumindest die einhellige Meinung der Vortragenden beim Digital Restaurant Day in Frankfurt.
Zu Teil 1 des Beitrags geht es hier.
Beitrag: Thomas Askan Vierich Titelbild: HOGAST
29. Juni 2023
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