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Eine Frage der Haltung

Der Tourismus, insbesondere die DMO, muss zwei Herausforderungen bewältigen, in denen auch viele Chancen liegen: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. In Teil 1 beschäftigen wir uns mit Nachhaltigkeit auf Ebene der Destination.

„Nachhaltigkeit ist ein integrativer Bestandteil des Angebots, ein Qualitätsversprechen und letztlich ein Entscheidungsgrund zu buchen.“

„Der Tourismus trägt zwischen 5 bis 8 Prozent zur CO2-Belastung des Globus bei.“

„Wer möchte durch sterbende Wälder spazieren oder radeln?“

„Die Verantwortung liegt beim Tourismus. Sonst hat er keine Zukunft.“

„Moralische Ansprüche und faktische Notwendigkeit gehen hier Hand in Hand.“

Die Tourismusberater von dwif haben ein Flow-Konzept entwickelt, über das sie alle Herausforderungen im Tourismus abbilden können, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. „Denn was beide Entwicklungen gemein haben, ist ihre gesellschaftliche Tiefenwirkung: Durch die enorme disruptive Kraft wirken sie in hohem Maße transformierend auf alle Aspekte des menschlichen Zusammenlebens – so auch auf den Tourismus.“

(zum Vergrössern klicken)

In der Grafik sieht man die Aufgabenfelder im Tourismus – auf Ebene der DMO:

  • Strategie & Monitoring
  • Markenführung & Kommunikation
  • Produktentwicklung
  • Qualitätsmanagement
  • Vertrieb
  • Gästeservice
  • Stakeholdermanagment
  • Infrastruktur
  • Daten- & Contentmanagment
  • Innovationsmanagment
  • Gästelenkung und Mobilität

Das bedeutet in erster Linie, dass sich die Funktion und Arbeitsbereiche der DMO ändern. Es geht weniger um Marketing, sondern um Management. Und die Zielgruppe hat sich erweitert: von den Besuchern zu den Bewohner und Betrieben. Die Gestaltung des Lebensraums ist zentral. Tourismus muss allen dienen und nützen – nicht nur den Touristen.

Während die Digitalisierung in vielen Lebensbereichen und auch im Tourismus auf vielen Ebenen schon sehr fortgeschritten ist, sieht das bei der Nachhaltigkeit anders aus – obwohl viel darüber geredet wird. Dennoch werden wir nach neuesten Erkenntnissen die 1,5-Grad-Schwelle schon viel früher als befürchtet erreichen (2026!). Es muss also bei der Nachhaltigkeit dringend schneller gehandelt werden.

Der Tourismus trägt zwischen 5 bis 8 Prozent zur CO2-Belastung des Globus bei, ist also einer der Hauptverursacher, vor allem bei der Mobilität. Andererseits ist er auch ein Opfer des Klimawandels: Extremwetter, Artensterben, die fortschreitende Zerstörung der Natur, Schneemangel und Dauerhitze bedrohen den Tourismus in seiner Existenz. Wer urlaubt noch in Städten bei über 40 Grad? Oder legt sich an den Strand? Wer soll noch bei grassierendem Schneemangel Ski fahren? Wer möchte durch sterbende Wälder spazieren oder radeln?

Neo-Ökologie mit sozialen Werten

Was wir brauchen ist eine „Neo-Ökologie“, sagen die Expertinnen Maike Berndt und Elena Schmidt von dwif. Und meinen damit eine „Ökologie, die in der Ökonomie ankommt“. Dazu wird der European Green Deal beitragen. Europa hat sich zum Ziel gesetzt 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein. Dazu ist das Plastikverbot im Gastgewerbe ein erster kleiner Schritt.

Wichtig sei auch, dass man Nachhaltigkeit größer denkt: Der soziale Mehrwert aller Handlungen, auch im Tourismus, spielt eine immer größere Rolle. Es geht um öko-soziale Werte, um ein ganzheitliches Lebensraummanagment, um New Work, um langfristiges Wirtschaften, um den sparsamen Einsatz von Ressourcen.

Immer wieder zeigen Umfragen wie jüngst von Booking.com oder dem deutschen Sparkassen Tourismus Barometer, dass Qualität bezahlt wird. Wenn die Qualität für Werte steht – und nicht nur für MEHR.

Die World Tourism Organisation der UNO hat das Programm „Tourism For Inclusive Growth“ ins Leben gerufen: Alle sollen Zugang und Nutzen vom Tourismus haben – weltweit.

Das Henne-Ei-Problem

Maike Berndt und Elena Schmidt sprechen vom Henne-Ei-Problem bei der Umsetzung eines nachhaltigen Tourismus: Die einen sagen, es fehle an nachhaltigen Angeboten. Die anderen, es fehle an der Nachfrage. Wollen die Leute wirklich nachhaltig reisen? Oder reden sie nur davon? Und gibt es wirklich genügend glaubwürdige Angebote? Und findet man die?

„Diese Fragen sollte die Branche selbst beantworten“, sagt Maike Berndt. „Die Verantwortung liegt beim Tourismus. Sonst hat er keine Zukunft.“ Moralische Ansprüche und faktische Notwendigkeit gehen hier Hand in Hand. Ganz wichtig: Heute ist Nachhaltigkeit längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr oder ein nettes Projekt. Nachhaltigkeit ist ein integrativer Bestandteil des Angebots, ein Qualitätsversprechen und letztlich ein Entscheidungsgrund zu buchen. Man müsse Nachhaltigkeit bei jedem Schritt mitdenken. Anders als bei der Digitalisierung geht es aber nicht darum zu entscheiden, ob das jetzt sinnvoll sei oder nicht. Nachhaltigkeit ist Voraussetzung, eine „Frage der Haltung“, vor allem in den nächsten Jahren. Nur wer Nachhaltigkeit als souveräne Haltung praktiziert ist wirklich authentisch. Alles andere ist Green Washing und wird zunehmend durchschaut.

Markenführung & Kommunikation

Und diese Haltung muss man glaubwürdig positionieren. Und das ist durchaus anspruchsvoll. Denn es gibt im Tourismus sehr viele Touchpoints. Man braucht also eine große Konsistenz im Angebot. Kann man das wirklich bieten? Wohl eher nicht – dafür gibt es einfach zu viele Stakeholder. Man könne sich heute auch nicht mehr als Nachhaltigkeitsmarke im Tourismus etablieren – der Zug sei bereits abgefahren. Mit Nachhaltigkeit erregt man heute keine Aufmerksamkeit mehr. Heute ist jeder nachhaltig – oder behauptet es zumindest.

Sinnmarken

Wer wirklich nachhaltig sein will, stellt die Sinnfrage. Heute geht es um „Sinnmarken“, ein Begriff, den das Zukunftsinstitut geprägt hat. Man fragt also ständig nach dem Sinn seines Handelns. Danach fragen auch Kunden und Gäste. Die Antwort darauf muss ein Wertewandel sein, der in die DNA des Unternehmens oder der Tourismusdestination übergegangen ist. Erst dann trägt man gesamtgesellschaftliche Verantwortung – die von Kunden und Gästen honoriert wird.

Beispiele für solche Unternehmen sind Weleda, Vaude, Lemonaid+, ChariTea, Upstalsboom, mymuesli oder Viva con Agua Sankt Pauli.

So etwas kann keine DMO bieten. Aber eine DMO kann einen neuen Rahmen errichten. Zum Beispiel hat die Ministerpräsidentin der Balearen, Francina Armengol, heuer erklärt, dass die Balearen zu „Vorreitern in Sachen Nachhaltigkeit werden sollen“. Mallorca und Ibiza, ausgerechnet? Ja! Und zwar nicht als neues Verkaufsargument, sondern als Lebensraum. Deshalb wurde ein neues Tourismusgesetz verabschiedet. Darin ist viel von Beschränkung die Rede, davon Kreuzfahrten zu begrenzen, die Kreislaufwirtschaft zu fördern und lokale Lieferketten, den Ressourcenverbrauch radikal einzuschränken und viel mehr Rücksicht auf das Personal zu nehmen. Zum Beispiel sollen höhenverstellbare Hotelbetten gefördert werden. Nicht für die Bequemlichkeit der Gäste, sondern der Zimmermädchen!

Infrastruktur

Die Infrastruktur von heute muss den Bedarf und die Risiken von morgen gerecht werden. Nachhaltigkeit heißt Vorauszudenken. Wie zum Beispiel in dem Hotelprojekt Svart in einem norwegischen Fjord. Das soll das erste energiePOSITIVE Hotel der Welt werden. Das heißt, es ist völlig autark und produziert mehr Energie als es verbraucht. Das Projekt wird auf allen Ebenen nachhaltig optimiert bis an die Schmerzgrenze. Revolutionär: Hier wird Gästeexperience und Nachhaltigkeit im Betrieb zusammen gedacht. Auf allen Ebenen wird ein konsequent nachhaltiger Weg gesucht.

Noch ein Beispiel, viel schlichter, aber ebenfalls wirkungsvoll: Der Ruhrtal-Radweg ist der erste leitungswasserfreundliche Radfernweg Deutschlands. Alle 10 bis 15 Kilometer findet der durstige Radler eine Gratistrinkstation. Das ist in zunehmend heißen Sommern nicht nur eine gästefreundliche Maßnahme. Es spart auch viele gekaufte Plastikwasserflaschen ein.

Oder man könnte noch viel mehr über klimaschonende und katastrophenresiliente Architektur nachdenken. Am besten sollte sie klimaneutral, noch besser klimapositiv sein. Und für kommende Klimaextreme gewappnet sein: hochwasser- und erdbebensicher, zumindest leicht wiederaufbaubar. Eine Fassadenbegrünung kühlt auf natürliche Weise, Fenster sind durch eine Nanobeschichtung hitzeabweisend, Textilfassaden filtern aus der Luft den Feinstaub. Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen, empfehlen die beiden Expertinnen sich auf Worst Case Szenarien vorzubereiten. „Unsere Risikowahrnehmung ist schlecht entwickelt“, warnen sie. Wir glaubten immer noch, es würde wenn überhaupt unseren Nachbarn treffen.

Vertrieb

Hier ist es wichtig nachhaltige Angebote auch sichtbar zu machen. Man muss so viele Vertriebsplattformen wie möglich bespielen. Booking behauptet ja, dass sechs von zehn Deutschen gerne nachhaltig vereisen würden. Aber die würden laut ihrer Umfrage von 2022 leider nicht genügend Angebote finden, sagen sie. Damit das besser wird, müssen nachhaltige Anbieter auch ihre Daten an die Plattformen liefern.

Erste Nachhaltigkeitslabels sind am entstehen. Auf Booking.com erscheint immer öfter ein Blatt als Symbol dafür, dass dieses Angebot nachhaltig sei. Auch wenn es noch intransparent bleibt, was das genau heißt. Und es gibt immer mehr Plattformen wie bookitgreen, goodtravel oder ecobnb, die voll auf Nachhaltigkeit setzen – wenn auch noch für einen Nischenmarkt. Bald wird wohl auch auf Google angezeigt, ob ein Suchergebnis nachhaltig ist. Vielleicht wird hier bald der jeweilige ökologische Fußabdruck angegeben – ganz selbstverständlich neben den Öffnungszeiten und der Auslastung.

Da muss sich jeder Anbieter und jede DMO die Frage stellen: Bin ich hier vertreten? Bin ich darauf vorbereitet? Habe ich dafür die nötigen Kennzahlen? Hier müsse man Verantwortung übernehmen.

Nicht auf die Politik warten

Lars Bengsch von dwif betont abschließend: Tourismus ist Verursacher und Opfer zugleich und sollte nicht auf die Politik warten. Da hat er recht: Die klare Ansage von der Ministerpräsidentin der Balearen könnte Vorbild sein. Österreich hat alle Voraussetzungen dafür zu einer führenden nachhaltigen Destination zu werden und auch so wahrgenommen zu werden. Weniger als Partyzone für Apres-Ski. Oder als Luxusdestination für Leute, die eh schon alles haben. Und schon gar nicht als Durchgangsstation von Billigtouristen aus Asien. Von denen haben wir nichts. Auf alle zu Fälle viel zu wenige.

Die Politik kann und sollte die Spielregeln festlegen. Das kann aber auch jede Destination für sich selbst entscheiden. Sie wird damit die gefährdete Akzeptanz des Tourismus bei der eigenen Bevölkerung erhöhen. Auch wenn manche Maßnahmen sich als mühsam erweisen werden. Und teuer. Auch wenn man unterschiedlichste Interessenslagen unter einen Hut bringen muss. Hilfreich kann sein, seine Netzwerke breiter aufzustellen, auf alle Fälle auch Player außerhalb des Tourismus anzusprechen. So etwas nennt man  „Capacitybuilding“. Man sollte sich Expertise von außen holen, nach Best Practice Beispielen suchen, auch außerhalb der Branche. Man sollte die Bevölkerung vor Ort befragen: Was wollen die? Was erwarten die? Und was können die bieten?

Grafik: dwif, Foto: pixabay
Beitrag: Thomas Askan Vierich
30. Juni 2022
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