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Wir müssen resilienter werden

Prof. Gabriel Felbermayr, Leiter des WIFO, über die Energiekrise und nötige Lohnsteigerungen. Kurzfristig sieht er große Probleme für das Gastgewerbe, mittel- und langfristig aber Hoffnung. Wenn sich das Gastgewerbe auf kommende Krisen besser einstellt. Und politisch mehr Druck macht. Er ist auch Keynote-Speaker am HOGAST-Symposium.

Herr Prof. Felbermayr, steht uns ein Wutwinter bevor? Werden unter den Protestierenden auch Gastronomen und Hoteliers sein? Womöglich zu Recht?

Ich glaube ja. Denn die gehobene Hotellerie arbeitet energieintensiv – mit SPAs und Schwimmbädern. Falls es zu Energielenkungsmaßnahmen kommen sollte, sind genau das natürlich Bereiche, die zur Diskussion stehen könnten. Bei einer Gasmangellage werden wir zuerst die Privathaushalte privilegieren, dann die wichtige Infrastruktur, dann die Gasverstromung und erst dann kommt der ganze Rest. Die Hotellerie sollte sich auf so eine Situation vorbereiten – zumindest gedanklich.

Wie kann man sich darauf vorbereiten?

Wir wünschen uns natürlich alle, dass wir den Marktmechanismus möglichst lange aufrechterhalten können. Dass der, der hohe Zahlungsbereitschaft hat, auch Gas bekommt. Und man kann natürlich selbst entscheiden, ob man sein Schwimmbad in diesem Winter weiterbetreiben will. Oder das SPA vielleicht ein paar Stunden früher schließt. Wenn man das an seine Gäste richtig kommuniziert, ist das vermutlich zumutbar.

Sie sind ja der Erfinder des gedeckelten Strompreises– wird der auch Hoteliers und Gastronomen bei den explodierenden Energiekosten helfen?

Nein. Das gilt nur für Privatverbraucher. Man kann sich aber vorstellen, dass es für kleinere und Einzelunternehmer so etwas auch gibt. Aber sicher nicht für größere Unternehmen, zu denen ein Hotel zählt. Da macht das Modell mit einem subventionierten Durchschnittsverbrauch auch keinen Sinn.

Warum wird das nicht trotzdem erweitert? Für viele Betriebe könnte es wirklich eng werden.

Am Ende ist das wohl nicht finanzierbar. Ein Hotelier kann sich ja auch ein stückweit selbst helfen. Er kann als Unternehmer anders agieren als ein Privathaushalt und die Kosten zumindest teilweise weitergeben. Das kann ein Privathaushalt eben nicht. Die Preise weiterzugeben macht auch volkswirtschaftlich Sinn. Wenn man die volle Preissteigerung nicht weitergeben kann, kann man vielleicht am Leistungsmix noch was machen.

Allerdings muss man sich wohl überlegen, was man bei den Betrieben macht, die die gestiegenen Preise nicht weitergeben können – Budgethotels zum Beispiel oder das Wirtshaus am Land. Wo sollen die denn noch einsparen? Hier brauchen wir Instrumente wie die Kurzarbeit oder einen Verlustrücktrag, also dass man die Verluste von heute gegen die Gewinne von gestern gegenverrechnen kann und eine Steuergutschrift bekommt.

Eine dauerhafte Lösung ist das aber auch nicht, oder?

Nein. Es muss uns ganz einfach auf europäischer Ebene gelingen, die Strom- und Gaspreise zu drücken. Alles andere ist eine Augenauswischerei. Mit Zuschüssen werden wir nicht durch die Krise kommen. Wir müssen uns überlegen: Wie kommen wir billiger zu Gas. Wir müssen die Gas-Strom-Verbindung trennen, also das Merit Order Prinzip. Da gibt es Lösungen, die müssen europäisch umgesetzt werden. Hier könnten die Hoteliers politisch Druck machen. Und nicht darauf hoffen, dass man ihnen irgendwie finanzpolitisch zu Hilfe eilt…

Wird sich die Inflation 2023 fortsetzen? Werden die Energiepreise wieder zurückgehen?

Wir erstellen gerade die Herbstprognose, exakte Zahlen kann ich Ihnen noch nicht liefern. Aber wir gehen davon aus, dass die Durchschnittspreise bei Gas und Strom 2023 noch einmal deutlich höher sein werden als die Durchschnittspreise 2022. Da sprechen wir von einer Verteuerung gegenüber 2019 mit einem Faktor zehn und mehr. Bei der Inflation sieht es etwas besser aus, die hängt ja nicht nur an den Energiepreisen. Bei den Rohstoffen und den Lebensmitteln sind die Preise schon etwas zurückgegangen.

Trotzdem werden sich die hohen Energiepreise bemerkbar machen, die stecken ja auch in vielen Lebensmitteln. Die Brötchen werden teurer werden und das Wäschewaschen auch. Selbst wenn Kupfer und Erdöl billiger werden, hat der Hotelier nichts davon. Wir gehen davon aus, dass die Inflation nächstes Jahr bei 6 bis 7 Prozent liegen wird statt 8 bis 9 Prozent wie jetzt.

Wenn jetzt noch kräftige Lohnsteigerungen kommen, heizt das die Inflation nicht weiter an? Aber brauchen wir nicht auch eine Binnennachfrage, um nicht in eine Rezension zu schlittern?

Selbstverständlich treibt das die Preise nach oben. Die Löhne sind ja ein noch größerer Kostenfaktor als die Energiepreise – vor allem im personalintensiven Gastgewerbe. Und diese Lohnsteigerungen werden weitergegeben werden müssen – vielleicht nicht eins zu eins, vielleicht kann man auch etwas am Personal sparen. Aber keine Lohnerhöhungen sind auch kein Ausweg, denn der Kaufkrafterhalt ist zentral für die Nachfrage – gerade wieder für das Gastgewerbe. Wer soll bei einem weiteren Kaufkraftschwund noch ins Restaurant gehen oder sich eine Urlaubsreise leisten? Wo werden die Leute zuerst sparen? Bei Luxusgütern. Und da muss man einen Urlaub in Österreich schon dazurechnen.

Vielleicht nicht bei einem Kuraufenthalt, aber sicher bei einem Skiurlaub am Arlberg. Das werden sich Familien nur leisten können und wollen, wenn es ihnen finanziell gut geht. Also ist es gerade für das Gastgewerbe wichtig, dass die Löhne steigen – ganz abgesehen vom eh schon bestehenden Mitarbeitermangel. Wahrscheinlich überwiegt der positive Effekt von Lohnsteigerungen sogar die schmerzhaften Kostensteigerungen.

Warum hat die Schweiz so eine niedrige Inflation? Und warum ist sie in den USA ohne dramatisch steigende Energiepreise genauso hoch?

In den USA haben wir es mit einer klassischen Konjunkturüberhitzung zu tun. Da wurde und wird sehr viel Geld in die Wirtschaft gepumpt. Und die Amerikaner sind konsumfreudiger als die Europäer. Das Angebot ist aber knapp geblieben. Das treibt die Preise. Das ist mittlerweile gut belegt: Die amerikanische Inflation ist viel mehr hausgemacht als die europäische.

In der Schweiz ist die Situation aus vielen Gründen etwas anders. Der Euro ist leider eine Weichwährung, er hat in den letzten Jahren ungefähr 14 Prozent an Wert verloren. Wenn die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt in Dollar um 20 Prozent steigen, steigen sie in Euro um 35 Prozent. Das tut den Amerikanern nicht weh und den Schweizern mit ihrem stabilen Franken auch nicht. Die Schweiz hat auch nicht unsere hohen Strompreise, weil sie eine vollkommen verstaatliche Stromwirtschaft hat. Die Energieversorger müssen zwar auch teuer einkaufen und kommen grässlich unter Druck, aber weil das kommunale oder kantonale Betriebe sind, werden diese Preise nicht an die Endkunden weitergegeben.

Aber dann gehen doch die Schweizer Versorger irgendwann pleite?

Der Unterschied zur französischen EDF ist, dass die Schweizer Versorger über Jahrzehnte sehr konservativ gewirtschaftet haben, die haben noch viel Eigenkapital, die können das noch abpuffern. Und sie haben auch eine hohe eigene Stromerzeugung, müssen nicht so viel dazukaufen. Aber eine große Rolle spielt in die Schweiz, dass das Prokopfeinkommen sehr hoch ist. Das bedeutet, der Anteil von Energie im Warenkorb ist relativ klein. Ein armes Land wie Bulgarien hat in Europa den höchsten Anteil an Energiepreisen im Warenkorb.

Man hat das Gefühl, gerade reiht sich eine Krise an die andere. Müssen wir uns einfach darauf einstellen? Kann und muss sich die Wirtschaft darauf einstellen?

Zum einen hat es früher auch Krisen gegeben: Ölpreisschock, saurer Regen, Ozonloch, Jugoslawienkrieg, Internetblase, Finanzkrise… Und die haben wir auch überstanden. Aber vielleicht muss man heute mehr denn je fragen: Bin ich krisenresilient aufgestellt? Dazu gehört eine gute Eigenkapitalausstattung. Vielleicht muss man mehr in Richtung auf Resilienz investieren. Was ist, wenn tatsächlich ein Verbrennerverbot kommt? Wie kommen dann meine Gäste ins Pitztal? Diese Krisen können wir ja absehen.

Es gab auch genügend Warnungen vor dem Coronavirus und auch vor der Energiekrise. Hier müssen die Verbände und die Unternehmer etwas sensibler reagieren. Nachhaltigkeit gehört da auch dazu. Bin ich auf Extremwetterlagen vorbereitet? Was ist mit dem Wildbach, der direkt an meinem Haus entlangläuft? Woher sollen die Gäste der Zukunft kommen? Welche Quellmärkte sind von politischen Unsicherheiten bedroht? Muss ich mir vielleicht andere erschließen? Was passiert, wenn die deutsche Wirtschaft wirklich kracht? Oder Italien? Das ist keinesfalls ausgeschlossen. Vielleicht kann ich mich künftig doch nicht mehr auf meine deutschen Stammgäste verlassen? Muss ich vielleicht mehr Kundschaft aus den USA anlocken? Oder aus Skandinavien? Nur auf einheimische Touristen zu setzen, wie während Corona, reicht auch nicht.

Angebote reduzieren?

Glaube ich nicht. Eine Sauna muss schon sein. Aber sie muss grün sein. Und wir haben eben hohe Löhne und hohe Abgaben in Österreich. Das macht unser Angebot teuer. Deshalb muss man dem Gast auch etwas bieten. Sonst fährt der vielleicht in Kanada Ski oder in der hohen Tatra.

Worüber werden Sie am HOGAST-Symposium sprechen?

Über die Herbstprognose, bis dahin werden die Zahlen vorliegen. Ich werde auch über das touristische Jahr 2021/22 sprechen. Und das war ein gutes. Wir kommen ja eigentlich aus einer Situation der Stärke, aus einer Hochkonjunktur. Und ich werde über Resilienz sprechen und die grüne Transformation. Auch auf den Fachkräftemangel werde ich eingehen. Das sind die wirklichen Probleme. Die Energiekrise ist dagegen vorübergehend. Die Preise werden zurückgehen, sie werden zurückgehen müssen. Da wird was passieren. Klima und Mitarbeitermangel werden bleiben.

Titelbild: Alexander Müller
Interview/Text: Thomas Askan Vierich
3. Oktober 2022
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