Hotelier Johannes Lichtmannegger aus dem bayrischen Bergsteigerdorf Ramsau setzt seit 2012 voll auf Nachhaltigkeit. Angefangen hatte alles mit dem Schweinefleisch. Johannes Lichtmannegger und sein Cousin Franz hatten 2012 ein Art Erweckungserlebnis. Auf einer Tagung in München hörten sie einen Vortrag über die gängige Schweinemast. Das versetzte ihnen einen Schock. Auf der Rückfahrt nach Ramsau im Berchtesgadener Land beschlossen sie, ab sofort kein konventionelles Schweinefleisch mehr auf die Karte ihres 4-Sterne-Superior-Hotels Rehlegg zu setzen.
„Leider hatten wir uns damit gleich eines der schwierigsten Themen ausgesucht: artgerechtes Schweinefleisch ist teuer und schwer zu bekommen“, sagt Lichtmannegger heute. Sie taten es trotzdem und fanden einen Partnerbetrieb, einen Demeter-Schweine-Zuchtbetrieb. „Und wir konnten das ausgestorbene Schwarze Alpenschwein bei uns wieder ansässig machen.“ Beim Rindfleisch taten sie sich leichter, das hatten sie innerhalb von zwei Wochen in ihrer Küche. Die Hühner bekommen sie von einem Bio-Partnerbetrieb in Kettenberg in der Nähe des Waginger Sees, die Eier über einen HOGAST.REGIO-Partner in Garching. „Diesen Betrieb hat das Rehlegg uns empfohlen“, sagt HOGAST-Einkaufsberater Thomas Plutta. „Seitdem ist der Eierhof Mühlhauser einer unser HOGAST.REGIO-Partner in Bayern.“ Hannes Lichtmannegger kennt jeden seiner Lieferanten persönlich. Einmal im Jahr lädt er sie sogar zu einem gemütlichen Plausch und Ideenaustausch ins Hotel.
Zum nachhaltigen Konzept beim F&B kamen schnell weitere Bereiche: Für 90.000 Euro baute man ein eigenes gasbetriebenes Blockheizkraftwerk. Schon im ersten Betriebsjahr sparte man damit 70.000 Euro Energiekosten. Dann kamen Solaranlagen aufs Dach. Heute produziert das Hotel mit 87 Zimmern zum Teil mehr Energie, als es verbrauchen kann (auf das Jahr umgerechnet ca. 75% des gesamten Stromverbrauchs). Beim Putzmitteleinsatz verzichtet man komplett auf Chemie. An der Bar werden überwiegend regionale Getränke angeboten – bis zu einem regionalen Campari. „Da engagiert sich unser Barkeeper persönlich, dem macht das einen Riesenspaß. Und seit wir auf den Lotuseffekt beim Fensterputzen setzen, sparen wir auch hier Zeit und Geld. Das freut wiederum unsere Reinigungskräfte.“
„Unbedingt. Sie ist für uns alle gut – nicht nur für unsere Gäste, die jetzt in chemiefreier Umgebung schlafen können.“ Apropos Schlafen: Da bietet das Rehlegg im Stammhaus der Familie, einem alten Bauernhof, ein ganz spezielles Angebot für Gäste, die sonst eher nicht so gut schlafen: Betten auf Kufen! Die schaukeln beim Schlafen und man fühlt sich wie im Mutterbauch. Man kann das aber auch abstellen. Die Suiten im Neubau unter dem Dach verfügen über große Terrassen, auf denen Extrabetten zum Draußenschlafen stehen. „Das wird von unseren Gästen super angenommen. Sogar im Winter. Einschlafen mit Blick in den Sternenhimmel und beim Aufwachen grüßt der Watzmann: Das sind die wahren Erlebnisse unserer Zeit. Da muss ich gar kein Raften oder Ballonfahren anbieten.“
Aber Lichtmannegger weiß auch: „Nachhaltigkeit macht Arbeit, gerade der Einkauf bei unterschiedlichen Produzenten ist mühsam. Für einen müssen wir sogar die Rechnungen selbst schreiben, weil der keinen PC hat. Aber es lohnt sich. Wir können den Mehraufwand und den höheren Wareneinsatz weitergeben. Unsere Gäste kommen zu 70 Prozent gerade wegen unseres nachhaltigen Konzepts zu uns, das haben wir 2019 erhoben. Die sind auch bereit dafür etwas mehr zu zahlen.“
Es gibt auch Beschwerden von einigen Gästen, wenn sie bestimmte Speisen nicht bekommen konnten, weil die gerade keine Saison hatten. Manche fühlen sich wohl auch belästigt durch die ganze Nachhaltigkeit. Die wollen nichts wissen von Chemie und Massentierhaltung und ökologischen Fußabdrücken. „Wir laufen natürlich nicht mit erhobenem Zeigerfinder durchs Hotel“, sagt Lichtmannegger. „Aber wir kommunizieren das schon, erzählen z. B. positive Geschichten über unsere Schweine.“
„Und wir sind noch lange nicht am Ende unseres Prozesses. Unsere Mitarbeiter haben auch Ideen, zum Beispiel sollen wir den Einsatz der Spülmittel verändern.“ Auf alle Fälle hilft ein glaubwürdiges Nachhaltigkeitskonzept auch bei der Mitarbeiterakquise: Gerade hat Lichtmannegger zwei neue Mitarbeiter in der Küche angestellt, die haben sich proaktiv bei ihm beworben, weil sie das F&B-Konzept gut finden. So etwas spricht sich ja herum. Nicht nur unter Gästen.
Am Tag unseres Interviews hat Johannes Lichtmannegger von einem Hotel in Leipzig erfahren, das eine neuartige Ladestation einsetzt, mit der man sechs E-Autos gleichzeitg tanken kann. So etwas hätte er auch gerne im Rehlegg. Ein E-Auto gibt es schon seit Jahren im Rehlegg, ein elektrischer Smart, mit dem die Gäste kostenlos fahren dürfen.
Lichtmannegger sieht sich durchaus in einer Vorbildfunktion als Hotelier. Oder besser in der Rolle des Ideengebers: „Gerade unser Fleisch schmeckt und fühlt sich so gut an, das möchten die Gäste dann auch zu Hause erleben. Oder sie überlegen sich, beim nächsten Autokauf auf Elektromobilität zu setzen. Weil sie bei uns erlebt haben, dass das geht.“ Wenn man im Urlaub etwas für’s Leben lernt: Das ist dann wirklich ein nachhaltiger Urlaub.
Ach ja: Das Rehlegg holte sich 2020 den Travellers Choice Award „Best of the Best“ und gehört damit zu den 25 Tophotels Deutschlands.
CO2-neutrale Website des Hotels: www.rehlegg.de
Bilder: Berghotel Rehlegg/beigestellt
Beitrag: Thomas Askan Vierich
24. Juni 2021
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