www.hogast.com Icon hogast.com Webseite office@hogast.at Icon Emailadresse +43 6246 / 8963-0Icon Telefonnummer Logins Icon Schliesen
myHOGAST öffnen Lieferpartner Zugang
HOGASTJOB öffnen
HOME Jenseits der Roboter

Jenseits der Roboter

Künstliche Intelligenz (KI) führt als Buzzwort ein wechselhaftes Dasein. Von Robotern redet eigentlich niemand mehr. Machine Learning ist bereits Standard. Aber KI kann mehr als Chatbots und Sprachsteuerung. Auch im Tourismus, wo noch viel Potenzial brachliegt.

Bei einem virtuellen Treffen des Travel Industry Clubs diskutierten Experten aus der IT und dem Tourismus die Möglichkeiten der KI im Tourismus. Derer gibt es viele, die meisten sind noch ungenutzt beziehungsweise werden gerade in ersten erfolgversprechenden Pilotprojekten ausprobiert.

Nicole Göbel ist IT-Verantwortliche bei der Deutschen Bundesbahn. Dort hat man ein KI-gestütztes System zur besseren Taktung von S-Bahnen ausprobiert, das jetzt ausgerollt wird. Sie definiert: „KI bildet Menschen in der Technologie ab, Maschinen können menschenähnlich handeln, selbstständig entscheiden.“ In Japan wird KI in der Betreuung von Senioren eingesetzt – mit Robotern. KI ist aber darüberhinaus bereits weit verbreitet: Sie steckt in Chatbots, digitalen Assistenten, Sprachsteuerung, Datenanalyse, der Optimierung von Geschäftsprozessen und im Machine Learning.

Monitoring, Clustering, Matching

Michael Frischkorn ist ein alter Hase in der IT und jetzt für PinCAMP tätig, der Campingabteilung des ADAC. Er sagt, KI im Tourismus stehe erst am Anfang, Verkaufsplattformen wie Amazon und auch Booking seien da schon viel weiter. Aber deren Modell sei nicht unbedingt auf den Tourismus im Generellen übertragbar. Mit KI könne man Kampagnen monitoren, über ein Clustering könnte man ganz genau sehen, wer was wo touristisch wann besucht. An solchen Projekten war er in Frankreich beteiligt. Man könne auch ein Matching durchführen. Er hat das für 12 Millionen Unterkünfte von über 200 Anbietern in 20 Sprachen durchgeführt. Aber dahinter stecke letztendlich „nur“ Machine Learning, dass sei noch keine echte KI. Erst komme Deep Learning (Datenanalyse), dann Machine Learning (die Anwendung der Datenanalyse) und erst dann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Um das zu demonstrieren, zeigt er das bereits legendäre Beispiel „Zug 37“ aus dem Projekt AlphaGO von Google DeepMind. AlphaGo ist eine KI, die das Brettspiel Go spielen kann, dass noch komplexer ist als Schach. Der Computer machte einen für alle Go-Experten sehr überraschenden Zug, der zunächst dumm wirkte, sich dann aber als spielentscheidend herausstellte. In dieser Spielkonstellation hatten die Menschen, die die KI steuerten, diesen Zug zugelassen. „Dieser Zug fehlt sonst noch – nicht nur im Tourismus“, sagt Frischkorn. „Würden wir den zulassen? Oder würde unser Expertenwissen rebellieren?“ Frischkorn spricht von Attention Blindness, unser Hang das zu machen, was wir schon immer gemacht haben. Er fragt auch, ob eine KI auf Human-Level nicht zu klein gedacht sei.

Eifel barrierefrei erleben

Heike Döll-König ist studierte Germanistin und CEO des Tourismus von Nordrhein-Westfalen. Sie hat ein konkretes KI-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut zur touristischen Produktentwicklung durchgeführt: „Eifel barrierefrei erleben“. Das KI-unterstützte System gibt dem Reisenden konkrete Tipps anhand seiner Interessen, seinem Budget und seiner verfügbaren Zeit. Die digitalen Spuren des Nutzers werden analysiert und daraus personalisierte Angebote gebaut.

Ist er Rollstuhlfahrer? Dann bekommt er nur Angebote, die Rollstuhlfahrer nutzen können. Das System merkt sich diese Informationen, der Rollstuhlfahrer muss also nicht bei jeder Suche eingeben, dass er eben dies ist. Die Daten für die touristischen Angebote liefert der Data Hub NRW – vergleichbar mit dem Data Hub der Österreich Werbung. Kombiniert mit Alter, alleinreisend oder nicht und bestimmten Vorlieben entsteht so ein sehr zielgenaues Recommendersystem, das sogar die Wetterlage oder die Stimmung des Reisenden berücksichtigt.

Woher kommen die Daten für dieses System? Aus den Reservierungssystemen der Destinationen, die weiterzugeben sind die DMO auch bereit. Was fehle, seien Daten von privaten Anbietern, Leistungsträgern. Es fehle auch an Investitionen seitens der Stakeholder. „Datenpflege kostet viel Geld“, sagt Döll-König. „Und nicht alle wollen sich auf diese Form der KI einlassen.“ Die vorliegende Datenmenge wachse rasant, viele werden über soziale Interaktionen generiert, über das Internet of Things, über Knowledge Growth bei Google, die Technolgie werde immer günstiger, es existierten bereits viele neuronale Netze. „Wir müssen jetzt nur machen!“

Echte Mehrwerte

Es komme darauf an, echte Mehrwerte zu generieren, sagt Helge Moser, Marketingdirektor von bd4travel. Oft müssten diese Daten tatsächlich noch händisch eingegeben werden, sie entstehen bei der Nutzung von Produkten während der User Experience. Die müssten künftig automatisiert erfasst werden, am besten in Echtzeit. Algorithmen können diese Daten bearbeiten, aber dafür müssen sie strukturiert vorliegen. Und es müssten Millionen von Daten sein, damit „es Spaß macht“, ergänzt Michael Frischkorn.

Helge Moser schwebt KI-basierte Personalisierung im Tourismus vor und das sei eine „hohe Kunst“: Man müsse dem richtigen Gast das Richtige zur richtigen Zeit anbieten. Kunden wollten individuell behandelt werden und das Richtige angeboten bekommen. Deshalb seien sehr viele (83%) bereit ihre Daten zu teilen, zwei Drittel würden sogar aktiv dazu beitragen, wenn sie sich davon einen Mehrwert versprechen.

Damit könne man CRM-basierte Lösungen für Stammkunden und regelbasierte Lösungen zur Segmentierung von Zielgruppen oder Produktempfehlungen basierend auf zuletzt angeklickten Produkte (collaborative filtering, wie das Amazon praktiziert) realisieren. Das Problem: Je höher die Personalisierung desto komplexer wird die Steuerung, das System „skaliert“ nicht, es kommt zu keiner tatsächlichen Buchung und der Aufwand wird zu groß. Das ist bei Amazon weniger komplex. Hier könne KI helfen den Aufwand deutlich zu reduzieren. So könne man Cluster finden, Muster in Echtzeit erkennen und herausfinden, was für den Reisenden wirklich relevant ist.

Moser zeigt einen Usercase, den seine Firma für eine große Airline durchgeführt hat. Die wollte einen Aktions-Voucher gezielt ausspielen. Als man bestimmte Zielgruppen segmentierte, war die Trefferquote (also eine tatsächliche Buchung) schon doppelt so hoch als wenn man ihn einfach an alle Kunden verschickte. Als man über KI weiter differenzierte, lag die Trefferquote dreimal so hoch.

Make My Day

Thomas Reiter vom Wiener Startup staymate hat bereits eine KI-basierte Anwendung im Echtbetrieb: „Make My Day“ – eine smarte Gästekommunikation als App. Der Gast fragt: Was kann ich morgen in Wien machen – basierend auf meinen Interessen? Diese Interessen werden dann abgefragt. Das System fragt zum Beispiel: Wie aktiv willst du sein? Soll es urig oder stylish sein? Teuer oder günstig? Das wird über ein Bilderquizz abgefragt. Daraus erstellt das System automatisiert ein Tagesprogramm mit jeweiligen Alternativen. Die hinterlegten Inhalte der Anbieter verknüpft der Algorithmus.

Es wird auch automatisch neuer Content erzeugt: über Tourismus APIs, eigenen Content, Social Media Einträgen, Blogs, Webseiten, Echtzeitdaten (Wetter). Der ÖW-Hub sammelt und liefert Daten im Umkreis des betreffenden Hotels. So wird daraus eine Erlebnis-App auch für Gastgeber. Die Basis für so ein System ist die Datenqualität – und da kann viel schief gehen, weiß Reiter. Sind Geo-Daten vorhanden? Bilder statt Logos? Gültige Öffnungszeiten? Ist die Adresse korrekt? Gibt es Duplikate? Aussagekräftige Texte? Und last not least: Sind die Daten maschinenlesbar?

Drohen KMUs auf der Strecke zu bleiben?

Bei der Einführung solcher komplexer Systeme drohen die kleineren Anbieter auf der Strecke zu bleiben, warnt Döll-König. Die Großen können es sich leisten mit Startups zusammenzuarbeiten. Die österreichische und letztlich auch die deutsche Hospitality-Branche ist aber eher klein- und mittelständisch geprägt. Die Lösung könnte sein: Netzwerke bilden, die DMO müssen dabei vermitteln, Optionen aufzeigen. „Aus dem M für Marketing muss eines für Managing werden“, sagt Döll-König. Und das sei nicht einfach, dafür müsse es „Aufschließarbeit“ geben, man brauche überzeugende Usercases. Helge Moser ergänzt: „Der Umgang mit Daten ist natürlich heikel, man muss die DSGVO beachten, am besten setzt man auf ein Consenssystem und fragt seine User um Erlaubnis“. Aber die allermeisten Daten, die ML zum Lernen braucht, sind gar nicht personenbezogen.

Schlussfolgerungen

  • KI muss einfach sein.
  • Die Werkzeuge dafür sind bereits leicht zugänglich.
  • Datenzugang ist auch leichter geworden.
  • Muss für den Tourismusanbieter leicht zu bedienen sein.
  • Alle möglichen Tourismusdaten sollten maschinenlesbar, strukturiert und qualitätsgesichert freigegeben und nutzbar gemacht werden.
  • Angereichert mit Drittdaten können dann erst die neuen Möglichkeiten der KI-Algorithmen „geerntet“ werden.

KI-Lösungen im Tourismus brauchen mehr…

  • Mut zur Umsetzung, da ist noch viel Schnickschnack unterwegs (Thomas Reiter)
  • Offenheit für neue Netzwerke, auch außerhalb des Tourismus, zum Beispiel in der Wissenschaft (Heike Döll-König)
  • mehr Standardlösungen, die den Aufwand reduzieren und die man anpassen kann (Michael Frischkorn)
  • Mut, Kollaboration, Risikobereitschaft, verschiedene Dinge kombinieren (Nicole Göbel)
  • möglichst breitflächig einsetzen, nicht als Bedrohung sehen (Helge Moser)
Bild: Pixabay
Beitrag: Thomas Askan Vierich
14. März 2022
Zurück Nächster Artikel
office@hogast.at T: +43 (0)6246 8963 - 0
F: +43 (0)6246 8963 - 990

Fragen zu Ihrer Mitgliedschaft oder möchten auch Sie von den Angeboten der HOGAST profitieren? Kontaktieren Sie uns einfach und unverbindlich.

office@hogast.at
Icon Werben Werben im
HOGAST-BLOG/MAGAZIN Icon Werben