www.hogast.com Icon hogast.com Webseite office@hogast.at Icon Emailadresse +43 6246 / 8963-0Icon Telefonnummer Logins Icon Schliesen
myHOGAST öffnen Lieferpartner Zugang
HOGASTJOB öffnen
HOME Wir sind zu Lebensraum-Managern geworden

Wir sind zu Lebensraum-Managern geworden

Thomas Askan Vierich hat sich mit Christian Schirlbauer, dem Tourismuschef der Region Dachstein Salzkammergut, über Massentourismus, Besucherlenkung, die Kulturhauptstadt als Fluch oder Segen und das Neudenken des Wintertourismus unterhalten.

Thomas Askan Vierich: Wenn man als Tourismuschef zur Region Dachstein Salzkammergut kommt: Setzt man sich da nicht ins gemachte Nest?

Christian Schirlbauer: Gegenfrage: Ist es herausfordernder, eine unbekannte Region nach vorne zu bringen oder die Probleme einer international bekannten Region zu lösen?

Darauf wollte ich hinaus. Was wäre die Antwort?

Früher haben wir als Tourismusverbände Marketing gemacht, damit Gäste in eine Region kommen. Unsere Aufgaben haben sich durch Covid, und ich würde sagen schon ein bisschen vor Covid, absolut verändert. Ich hätte nie gedacht, dass wir Covid-Tests an unsere Betriebe verteilen, Impfstraßen und Teststraßen organisieren. Mittlerweile machen wir Employer-Branding für unsere Betriebe, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Attraktivität des Arbeitsplatzes, aber auch die Attraktivität der Region erkennen, um zu uns zu kommen. Wir kümmern uns um Mobilität, den Last Mile Link. Wir sind zu Lebensraum-Managern geworden.

Um Ihre Frage zu beantworten: Die Herausforderung ist enorm groß für mich, uns alle, weil wir eigentlich dafür ausgebildet sind, Gäste mit unserem Marketing in eine Region zu bringen. Nun werden tagtäglich neue Aufgaben an uns herangetragen, weil wir eine gute Organisation im Hintergrund haben, mit guten Kontakten zur Bevölkerung, zur Gastronomie, Hotellerie, Ausflugszielen bis hin zu unserem Bauern, der sein Grundstück fürs Parken oder einen Wanderweg zur Verfügung stellt. Wir arbeiten mit einem supertollen Team von 18 Leuten wirklich an der Basis.

Christian Schirlbauer, der Tourismuschef der Region Dachstein Salzkammergut. Foto: Region Dachstein Salzkammergut

Sind Sie so zu einer Art zweiter Bürgermeister oder Landesrat geworden?

Nein, aber wir machen sehr viele Dinge eng abgestimmt mit den Gemeinden, weil wir die Gemeinden brauchen und die wiederum brauchen unsere touristischen Stakeholder und Betriebe.

Wenn Sie Mitarbeiter in die Region bringen wollen, wie funktioniert das? Sie können denen ja schlecht als Tourismusverband Mitarbeiterhäuser bauen oder Kindergärten, die auch am Wochenende offen haben?

Indirekt schon: Die Gemeinden bieten Sommerbetreuung für Kinder an, deren Eltern in der Hotellerie, Gastronomie oder im Tourismus arbeiten – und wir als Tourismusverband subventionieren diese Kurse. Wir haben nicht die Ressourcen, das zu organisieren. Aber wir können finanziell helfen. Oder auch im Rahmen der Kooperation des BÖTM mit dem ÖIF – dem Österreichischen Integrationsfonds.

Können Sie noch weitere konkrete Beispiele nennen, die dazu beitragen, den Lebensraum für alle zu verbessern?

Wenn wir gemeinsam mit unseren Partnern eine Mountainbikestrecke neu installieren oder adaptieren, kümmern wir uns um die Rahmenbedingungen, die Verträge, dass die in der Haftpflichtversicherung des Landes Oberösterreich eingegliedert werden, und unterstützen somit das touristische Angebot für unsere Gäste. Das auch der Einheimische nutzen kann. Wenn wir für die Langlaufroute eine neue Brücke oder ein Brückengeländer brauchen, unterstützen wir die Gemeinde bei diesem Projekt finanziell, organisieren dürfen wir es gar nicht.

Also, die Brücke muss die Gemeinde bauen. Aber Sie können es anregen und sagen, wir hätten gerne so eine Brücke, und wir hätten auch ein bisschen Geld für euch. Ich hätte da eine Anregung: Wir sind mit dem Bus von Gosau nach Hallstatt gefahren, da wird die Straße am See sehr eng. Und die müssen sich die Radler mit den Bussen teilen. Kann man denen nicht einen Radweg bauen?

Wir denken gerade ein Riesenprojekt an, und zwar von Steeg bis Gosauzwang. Da wird die Gemeinde einen Radlweg entlang der Bundesstraße errichten und dann von Gosauzwang hinauf nach Gosau. Das wird ein ziemlich großes, schwieriges Projekt. Aber ich glaube, wir bringen das zusammen. Wenn wir von Gosau Mühle Richtung Hallstatt hineinfahren, ist die Straße sehr eng. Links geht es zum See, rechts ist im Endeffekt die Bergwand. Da werden wir keinen Radweg zustande bringen, der kostet, keine Ahnung, rund 30 Millionen, also keine Chance. Unsere Intention ist es, am Ostufer einen Trail für Radfahrer durch eine bestehende Forststraße zu adaptieren. Aber wir überlegen, die Radfahrer damit auf eine „höhere Ebene“ zu bringen. Und dort auch Aussichtsplattformen zu errichten, dass man beim Radeln auf den See runterschauen kann. Direkt am Seeufer geht sich auch dort nichts aus. Letztendlich müssen aber die Gemeinden entscheiden: Dürfen wir das überhaupt, wem gehören die Grundstücke, wer setzt das um? Aber wir können sicher sehr viele Dinge anstoßen.

Nächste provokante Frage: Kulturhauptstadt. Ist das für Hallstatt ein Fluch oder ein Segen?

Also, wenn Sie mich persönlich fragen, sage ich, das ist eine positive Entwicklung für unsere Region. Wir haben damit einfach die Krone aufgesetzt bekommen. UNESCO-Weltkulturerbe ist unsere Region schon seit 1997, die Kulturhauptstadt ist jetzt die Krone. Für mich persönlich ist es eine Ehre, da mit unseren vier Gemeinden dabei sein zu dürfen.

Wenn Sie andere Personen fragen, die vielleicht nicht vom Tourismus leben, mit UNESCO, und Welterbe nichts am Hut haben, die sagen: Noch mehr Gäste? Wollen wir eigentlich nicht! Aber da muss man auch unterscheiden: Gastronomie, Hotel und Ausflugsziele leben vom Tourismus, nona ned, aber auch ein Fliesenleger, ein Tischler, Bäcker oder Metzger usw. profitieren vom Tourismus. Wir sind nun mal eine Tourismusregion. Es muss halt, das habe ich schon oft gesagt, eine Ausgewogenheit zwischen den touristisch Interessierten, den Tourismusexperten, denen, die im Tourismus arbeiten, und der Bevölkerung, die nichts mit dem Tourismus zu tun hat, gegeben sein.

Es gab also nie die Überlegung bei der Kulturhauptstadt nicht mitzumachen?

Die Entscheidung fiel vor meiner Zeit und die waren sofort dabei. Ich habe damals am Attersee versucht, dass meine sieben Gemeinden dabei sind. Das wurde abgelehnt. Jetzt sind aber kurzfristig Unterach und Steinbach noch dazugekommen. Ich hätte mir damals gewünscht, dass der ganze Attersee mitmacht.

Kommen wir zum Thema Übertourismus. Dafür steht Hallstatt in der Öffentlichkeit ja in Reinkultur. Aber, ich muss sagen, als wir jetzt im September bei strahlendem Sonnenschein zu Besuch waren, fand ich das jetzt nicht übermäßig voll. Klar, Hallstatt ist ein kleines Dorf und gerade bei Asiaten sehr beliebt, aber so ist halt Tourismus. Wird das Problem also etwas aufgebauscht?

Hallstatt ist eben ein Hotspot.

Aber es gibt wahrscheinlich schon Tage, wo das über Hand nimmt, oder? Und wir haben auch die Plakate von Einheimischen gesehen, wo die Touristen mehr oder weniger zum Heimgehen aufgefordert werden. Überall stehen Schilder, die die Touristen zur Zurückhaltung auffordern. Es scheint also doch ein echtes Problem zu geben. Was kann man tun?

Wir haben eine Taskforce gegründet mit Gemeinde, Tourismusverband, diversen Stakeholdern, aber auch Vertretern der anderen Fraktionen in Hallstatt, um hier gemeinsam mit Unterstützung der Staatssekretärin und einer externen Moderation eine bessere und konsequentere Besucherlenkung anzudenken. Über Details möchte ich noch nicht sprechen, so weit werden wir im Frühjahr 2024 sein.

Also eine Besucherlenkung ist das entscheidende Werkzeug?

Es gibt die Bestrebung, ein neues Verkehrskonzept zu erstellen, wo ich schon gesagt habe, das ist mir persönlich zu wenig. Ich hätte gerne ein umfassenderes Mobilitätskonzept mit integrierter Besucherlenkung. Wir haben andere Destinationen zu uns eingeladen, um einfach mal mit solchen unter „Massentourismus“ leidenden Regionen zu reden. Da waren das Pragsertal aus Südtirol und St. Wolfgang dabei. Beim nächsten Mal hoffen wir noch Mayerhofen im Zillertal, Schönau am Königssee und Dürnstein in der Wachau gewinnen zu können. Denn die haben im Endeffekt die gleichen Probleme wie wir. Unser Ziel ist es vielleicht, gemeinsam digitale Lösungen zu finden, aber vor allem auch ein Kommunikationskonzept zu entwickeln: Wie kommunizieren wir besser mit den einheimischen Stakeholdern, und wie kommunizieren wir noch draußen an die Gäste. Das soll jetzt erarbeitet werden.

Was es schon gibt in Hallstatt sind Timeslots für Busse. Wie funktioniert das genau?

Der Busunternehmer muss einen Tag und eine Uhrzeit auswählen, um dann für mindestens  2,2 Stunden seinen Bus gegen eine Gebühr abstellen zu dürfen. Genügend Zeit für einen Rundgang, ein Mittagessen oder den Besuch der einen oder anderen Attraktion. Wir wollten weg von diesen ultrakurzen Hop-on-Hop-off-Tagesbesuchen, die niemandem etwas bringen. Und das funktioniert sehr gut und soll auch ausgebaut werden. Gleichzeitig können wir so auch eine Art Eintrittsgeld erheben.

Das Salzkammergut ist bei Touristen und Einheimischen sehr beliebt. Foto: Region Dachstein Salzkammergut

Machen Sie überhaupt noch Marketing oder kommen die Gäste von alleine?

Wir werben nur noch in Österreich, Deutschland, Tschechien und Holland. Das sind unsere vier Kernmärkte. Alles andere ist auf ein so genanntes Grundrauschen heruntergefahren worden. Wir bieten Journalisten und Bloggern ein Programm, aber auch nicht aus allen Ländern. Da stehen für uns Südkorea, China, Japan und Amerika im Fokus. Und Israel. Israel war gerade nach Covid ein ganz starker Markt, weil die auch mit als Erstes wieder reisen durften. Aber dort schalten wir keine Werbung.

Wie lang ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer?

Bei uns im Salzkammergut sind das 3,1 Nächte. Im Sommer ein bisschen mehr, im Winter ein bisschen weniger. Im Endeffekt haben wir sehr viele Tagesgäste, und die bleiben im Schnitt vier bis sechs Stunden, weil es wird ja nicht nur Hallstatt besucht. Meistens ist es eine Kombination von Gosausee, Hallstatt und Obertraun mit der Skiarena Dachstein-Krippenstein bzw. den „5-Fingers“. Genauere Zahlen der Besucher-Bewegungen in Hallstatt kann ich im Dezember liefern, denn wir haben eine intelligente Kamera installiert, die Bewegungsdaten auf der Seestraße misst. Die liefert Bewegungsdaten von Fußgängern, Radfahrern oder Autos, wie viele hineingefahren und herausgegangen sind.

Habt ihr eine spezielle Winterkampagnen?

Natürlich für das Familien-Skigebiet Dachstein-West. Und für die Freeride-Arena am Krippenstein. Wir bespielen selbstverständlich auch das Thema Schneeschuhwandern, Tourengehen und reines Winterwandern, generell das Wintererlebnis.

Kommen wir zur letzten Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen und die größten Chancen für den österreichischen Tourismus? Liegen die eher im Sommertourismus, sehen Sie da noch Potenzial? Kann man mit mehr Sommertourismus das ausgleichen, was man aufgrund der Klimaveränderung im Winter auf mittlere Sicht verliert?

Nach Covid haben wir eindeutig einen Nachholeffekt gespürt.

Ist der nachhaltig?

Ja, ich glaube schon. Weil immer mehr Menschen entdecken, dass man mit den E-Bikes auch in alpinen Regionen gut radeln kann. Wir setzen bei uns weniger auf Mountainbiketrails oder Bikeparks, sondern eher auf das Genussradeln. Der Sommertourismus ist in dem Hinblick bei uns noch ausbaubar, zum Beispiel, dass die Bergbahnen sich noch mehr auf den Sommer fokussieren können. Könnten wir nicht dafür sorgen, dass man das Radl mit der Seilbahn auf den Berg mitnehmen kann? Und oben gibt es dann einen Trail? Aber so weit sind wir noch nicht.

Das ist alles auch immer abhängig von den verfügbaren Betten. Wir sind gut gebucht. Heuer werden wir wieder eine Million Nächtigungen erreichen. Es ist bei uns sehr schwierig, neue Hotelprojekte zu errichten. Ich kenne zwar ein paar angedachte Projekte. Aber an die glaube ich erst, wenn die Bagger anrücken. Letztendlich habe ich als Tourismusmanager darauf auch keinen Einfluss. Ich freue mich zwar, wenn was kommt. Aber mir ist die Ausgewogenheit wichtiger.

Ist der Winter noch ausbaubar?

Momentan machen wir 55 Prozent der Nächtigungen im Sommer, 45 Prozent im Winter. Die Gemeinden Gosau und Obertraun sind im Winter am stärksten. Wir haben rund 160 Kilometer Pisten, da geht’s im Winter schon rund. Aber wir sind als Familienskigebiet bekannt.

Seid ihr hoch genug, um die Klimaveränderung zu bewältigen?

Die Bergbahn sagt, wir können immer für ein weißes Band bis ins Tal garantieren. Aber wie kommt das bei unseren Gästen wirklich an? Wir müssen darüber nachdenken, wie wir in den Wintermonaten den Gast, der vielleicht zweimal das weiße Bandl runterrutscht, sonst bespaßen können. Letztes Jahr hatten wir am 25. Dezember 20 Grad und Sonnenschein… Da geht’s dann eher um Wandern oder Radlfahren als ums Skifahren. Wie gehen wir damit um? Stellen wir uns vor, wir haben einen Winter ohne Schnee, was ist dann? Ganz ehrlich, in diese Situation möchte ich nicht blauäugig hineingehen. Ein weißes Bandl wird dann nicht reichen. Warum nicht am 31. Dezember eine Fackelwanderung im Wald veranstalten?

Was kann man sonst noch anbieten? Kulinarische Verwöhnprogramme?

Die Kulinarik ist bei uns im Salzkammergut allgemein schon sehr gut ausgebaut im Hinblick auf die regionalen Schmankerl. Wir arbeiten sehr viel mit regionalen Produzenten zusammen, die mittlerweile ihre Produkte an die Gastronomie liefern. Wir machen Führungen bei unseren regionalen Produzenten und bieten zum Beispiel das „Cook & Grill“ an. Oder unsere „Senferei“, wo man verschiedene Senfe aus unserer Region verkosten kann. Also, da gibt es, glaube ich, schon genügend. Wir sind eine Ganzjahresdestination, wir bieten nicht nur im Winter Skifahren. Es wird irgendwann auch im Winter mehr Wanderer, mehr Mountainbiker, Radler, mehr Spaziergänger geben als Skifahrer. Darauf müssen wir uns einstellen. Und eben auch im Winter die Hütten am Berg offenhalten, zum Beispiel.

Zur Person

Christian Schirlbauer ist seit 33 Jahren im Tourismus tätig, hat die Hotelfachschule besucht und lange bei der Salzburg Information gearbeitet, dort die SalzburgCard entwickelt. Dann war er 18 Jahre im Allgäu tätig, danach 18 Jahre am Attersee. Seit dreieinhalb Jahren ist er Geschäftsführer der Ferienregion Dachstein Salzkammergut, zu der auch Hallstatt gehört. Außerdem ist er Generalsekretär des BÖTM – dem Bund Österreichischer Tourismusmanager, zu dem rund 120 Tourismusverbände in ganz Österreich gehören.

Titelbild: Region Dachstein Salzkammergut
Text: Thomas Askan Vierich
22. November 2023
Zurück Nächster Artikel
office@hogast.at T: +43 (0)6246 8963 - 0
F: +43 (0)6246 8963 - 990

Fragen zu Ihrer Mitgliedschaft oder möchten auch Sie von den Angeboten der HOGAST profitieren? Kontaktieren Sie uns einfach und unverbindlich.

office@hogast.at
Icon Werben Werben im
HOGAST-BLOG/MAGAZIN Icon Werben