Der scheidende Generaldirektor der ÖHT Wolfgang Kleemann darüber, worum es jetzt wirklich geht im Tourismus: Wir brauchen neue Finanzierungsmodelle, neue Förderrichtlinien und ein besseres Marketing für die Menschen vor Ort. Dazu privat finanzierte Kindergärten in Tourismusregionen, Mitarbeiterbeteiligungen, mehr Kooperation und eher weniger Buy-to-Let-Projekte.
Wolfgang Kleemann: Wir leben in einer Post-Covid-Zeit, haben das Thema aber mental noch nicht bewältigt, auch nicht regulatorisch. Wir schlittern gerade in eine Phase hinein, in der die Wirtschaft und insbesondere die Tourismusbetriebe deutlich schlechtere Ratings aufweisen und damit bei Kommerzbanken aus der Finanzierbarkeit hinausfallen werden. Wir stehen also erstmals, seitdem ich in dieser Branche tätig bin, vor einer echten Kreditklemme.
Was tun?
Wir brauchen eine wesentlich stärkere Förderstruktur – so sehr ich auch dagegen bin, dass der Staat sämtliche Probleme löst. Bei Marktversagen wird der Staat aber regulativ eingreifen müssen. Das zweite Modell: Finanzierungen in Richtung alternative Modelle leiten.
Geld wäre ja genügend da!
Ja, es gibt viele wohlhabende Menschen, die suchen eine sichere Anlage abseits vom Sparbuch. Den Aktienmarkt empfinden sie als zu volatil und spekulativ. Zu recht. Wir müssen wohl mit bis zu zehn Prozent Inflation rechnen – spätestens in einem Jahr. Weil sich die Grundbedürfnisse (Energie, Lebensmittel) extrem verteuern werden. Gleichzeitig werden wir aus konjunkturellen Gründen an der Nullzinspolitik festhalten müssen. So entsteht eine Vermögensbesteuerung, die sich nicht einmal die Sozialisten je getraut hätten zu fordern.
Anders als etwaige Pläne der Sozialisten bringt diese „Steuererhöhung“ auch keinem was – das Geld wird einfach verbrannt.
Freibeträge gibt es auch keine. Deshalb suchen alle, die etwas oder auch sehr viel Geld haben, ich würde fast schon sagen verzweifelt nach anderen Anlageformen, Immobilien oder Gold. Es gilt mehr denn je: Grundbuch statt Sparbuch.
Wo kommt da der Tourismus ins Spiel? Beim Betongold?
Der Tourismus ist grundsätzlich eine sympathische Branche. Da investiert man gern, weil das mit Wohlbefinden, Erlebnissen und Entspannung zu tun hat. Diese positiven Aspekte streichen wir branchentechnisch noch ein bisschen zu ungeschickt heraus. Einer meiner Lieblingssprüche momentan: Wir haben zwar nur acht Prozent vom BIP, aber 100 Prozent vom Lebensgefühl. Uns muss es gelingen, für den Tourismus Private Placements, Crowdfinanzierungen oder Fondsmodelle zu akquirieren oder zu entwerfen. Ich habe das Privileg viele reiche Menschen zu kennen. Die sagen mir sinngemäß: Lass dir was einfallen, dann tun wir was!
Was müsste man diesen Leuten im Tourismus bieten?
Die wollen eine Anlage, die ihnen Spaß macht. Das erklärt zum Beispiel den ungeheuren Preisanstieg bei Oldtimern. Hier ist allerdings die Untergangsgefahr relativ groß. Man kann einen Jaguar XK 150 schnell gegen einen Baum fahren.
Dann besser eine teure Armbanduhr? Schmuck? Kunst?
Auch die steigen deshalb ständig im Preis. Auch da geht es um den Sexappeal der Anlage. Die Leute wollen ihr Geld nicht irgendwo bunkern, die wollen es lieb haben und streicheln. Deshalb würden sie ihr Geld auch in Hotels oder Gastronomiebetriebe anlegen, die sie gern haben, die Teil ihres Lebens sind oder werden. Und wir reden hier von hohen Summen. Wenn man solchen Leuten sagt, wir veranlagen deine 10 oder 20 Millionen in einem Tourismusfond der ÖHT und managen deine Beteiligungen, schauen, dass nichts schief geht, investieren nur in Leitbetriebe, die die momentane Krise durchstehen werden: Dann wird man diese Leute schnell überzeugen. Man muss ihnen ein Angebot machen. Eine Brücke bauen in Richtung Tourismuswirtschaft.
Warum gibt es diese Brücke nicht längst?
Weil wir es politisch verschlafen haben. Weil wir uns bis jetzt als Förderstelle darauf konzentriert haben, ganz normale konservative Finanzierungsformen als Förderprodukte zu verkaufen – mit dem einzigen Unterschied, dass sie vielleicht ein bisschen billiger sind. Wir verfehlen in der Förderpolitik momentan den Auftrag, den uns die Realität gibt. Wir bieten Produkte an, die in Wirklichkeit keiner braucht. Und das hat der aktuelle Rechnungshofbericht ja auch kritisiert. Da steht drin, dass der Mitnahmeeffekt eine wesentliche Rolle spiele. Ich muss Förderungen akzentuierter machen, die müssen spürbar werden. Förderung muss den Mut haben, ein wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument sein zu wollen. Das zu sagen ist leider sehr unpopulär, ich sage es trotzdem.
In welche Richtung sollte diese Förderung im Tourismus lenken?
Da gibt es fünf spielentscheidende Themen. Erstens die Betriebsübergabe. Wir schaffen es nicht den Tourismus weiter so zu performen, wie wir es bisher taten, weil uns die jungen Touristiker davonrennen, weil keiner sich mehr selbstständig machen möchte. Wir brauchen Impulse bei der Mitarbeiterzufriedenheit. Das muss man sich ganzheitlich anschauen. Das heißt endlich wegzukommen von der Bezeichnung Personal. Es geht nicht mehr um Personalzimmer. Es geht um Teams und um Wohnungen. Wir müssen hier auch neue Zielgruppen ansprechen.
Die klassische Mitarbeiterstruktur bricht uns gerade dramatisch weg. Wir könnten aber junge Mütter für uns gewinnen, wenn wir ihnen Kinderbetreuungseinrichtungen anbieten. Das habe wir bis jetzt völlig ausgeblendet. Infineon in Villach hat noch, bevor sie ihr erstes Werk bauten, einen Kindergarten hingestellt. Weil sie nur dann junge Mütter bekommen, die arbeiten wollen, hochmotiviert und gut ausgebildet sind. Die wollen auch raus aus ihrer eingeschränkten Existenz als Mutter und Hausfrau.
Diese Kindergärten sollten dann privat organisiert werden? Von Hoteliers, die sich zusammentun?
Das ist der Punkt. Wir brauchen einen Tourismuskindergarten Schladming, den alle Hoteliers in Schladming finanzieren. Der hat dann auch am Wochenende offen! So etwas haben wir vor zwei Jahren in der Steiermark und in Oberösterreich über die ÖHT angestoßen. Was glaubst du, wie viele Projekte an uns herangetragen wurden?
Null.
Null.
Warum?
Weil‘s keiner versteht, solche Produkte zu lancieren. Weil keiner versteht, dass das notwendig ist.
Wer versteht das nicht? Die Gemeinden oder die Tourismusbetriebe?
Die Hoteliers. Die Gemeinden verstehen es nur insoweit es ihren eigenen Bedarf betrifft. Der Bürgermeister sieht das nur als Kinderbetreuungsthema. Ich will das aber als Mütterfreispielthema sehen. Ich fürchte wir sind, was Innovationen betrifft, die langweiligste Branche.
War das nicht mal anders?
In Wirklichkeit nur, was Kulinarik und Design betrifft. Höchstens bei alternativen Übernachtungsformen in letzter Zeit.
Das sind natürlich auch nur Nischenprodukte.
Genau. Wir haben Innovationen bei Nischenprodukten, weigern uns aber Innovationen dort zu setzen, wo es notwendig und schwierig ist.
Scheut der Hotelier vor dem Thema Kindergarten zurück, weil es ihn etwas kostet? Hat er keine Zeit sich drum zu kümmern? Oder sieht er die Notwendigkeit nicht?
Ich fürchte Letzteres. Weil der Weg zwischen der Gründung eines Kindergartens gemeinsam mit drei anderen Hoteliers und dem tatsächlichen Rekrutieren von Mitarbeiterinnen aufgrund des Kindergartens ein relativ weiter ist. Dieser Weg ist aber beim Thema Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter generell ein weiter. Wie selten haben wir Beteiligungskonzepte für Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens? Obwohl das seit einige Monaten steuerlich begünstigt ist. Ich persönlich kenne keinen einzigen Betrieb, der das macht. Das ist einfach nur noch dumm. Und in der Ferienhotellerie hat es durchaus Gewinne gegeben, die man hätte verteilen können, auch 2020 und 2021. Das ist auch eine Lebenslüge unserer Branche: Wir vergleichen immer alles mit 2019. 2019 war aber ein absolutes Rekordjahr im Tourismus.
Wie kann man mit den steigenden Kosten umgehen? Würde da Kooperation helfen? Sich Dinge teilen? Vielleicht braucht nicht jedes Hotel einen eigenen SPA oder ein Restaurant?
Ich habe vor gefühlten zehn Jahren für eine Hotel- und Interessensgruppe aus zehn Betrieben den Bau eines gemeinsamen Blockheizkraftwerks finanziert. Das erregte damals viel Aufmerksamkeit. Es war nur leider das richtige Projekt zur falschen Zeit. Damals waren die Energiepreise so niedrig, das sich das Heizkraftwerk nicht rechnen konnte. Heute würde es sich rechnen. Natürlich müssen da auch die Energieversorger offener werden, was ihre Preise für die Einspeisung ins Netz betrifft. Die zahlen 6-8 Cent pro Kilowattstunde, verlangen aber 26 bis 32 Cent.
In ganz Tirol haben wir in den letzten zehn Jahren nicht ein einziges Wasserkraftwerk gebaut. Das ist doch der völlige Wahnsinn! Das muss man alles neu denken. Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass die Abdeckung aller Grundbedürfnisse immer von der öffentlichen Hand erledigt wird. Warum könnte man nicht in Bad Kleinkirchheim ein Wasserlaufkraftwerk errichten, wenn der Bach eh ungenutzt an allen Hotels durch den Ort fließt? Damit könnte man die Energieversorgung dieser Betriebe sicherstellen. Es muss nur einer koordinieren.
Wahrscheinlich sind wir jetzt wieder in einer Situation, wo der betriebliche Leidensdruck groß genug ist. Die Kooperationsprojekte, die ich über die ÖHT umsetzen konnte, sind immer nur dann entstanden, wenn dieser Leidensdruck groß genug war. Wir müssen künftig das Thema Kosten immer auch unter dem Aspekt der regionalen Lieferketten und der Nachhaltigkeit sehen. Das betrifft auch das Thema Windkrafträder. Die errichten wir in riesigen Windkraftparks. Aber wenn du das als einzelner Betrieb errichten willst, kriegst du keine Genehmigung.
So etwas würde auch in bergigen Regionen funktionieren?
Mit Augenmaß sicher. Es muss gehen. Im Bereich der Bergbahnenwirtschaft kommt es schon zu absurden Situationen. Heuer haben viele Bergbahnen eine Woche früher zugesperrt, einfach weil sie sich die Energiekosten nicht mehr leisten konnten. Eine Pistenraupe verbraucht 5000 Liter Diesel am Tag! Dazu noch die Kosten für die Beschneiung. Aber man ist sich nicht bewusst, was die Schließung für eine Region bedeutet. In der Woche brauchst in der Region nicht mehr von einer Bettenauslastung sprechen.
Wie schaut’s bei der Digitalisierung aus?
{kurzes Schweigen} Da habe ich eine etwas ketzerische Haltung: Vor der Reise sicher eine gute Sache und da funktioniert das auch ganz gut. Während der Reise möchten, glaube ich, die meisten Gäste von diesem Thema verschont bleiben.
Danach vielleicht wieder?
Ja, ok. Digitalisierung ist ein Off-Guest-Thema. Außer vielleicht bei regionalen Wegweisersystemen und Informationen zum Standort. Ok. Aber in der unmittelbaren Gästebetreuung bitte so analog wie möglich. Wir sind in Österreich nicht dafür bekannt, dass wir Roboter herumlaufen lassen. Der Gast braucht auch nicht im Urlaub einen Roboter.
Mobilität?
Riesenthema. Da klappt vieles noch nicht. Beispiel Marriott in Wien: Die haben keine eigenen E-Ladestationen. Die schicken ihre Gäste mit E-Auto zum Aufladen in den dritten Bezirk. Ohne Chauffeurservice, da musst du dich selbst drum kümmern. Das Auto des Gastes darf da nur so lange stehen, wie der Ladevorgang läuft. Und dann? Wirst beinhart abgeschleppt… Dann das vieldiskutierte Thema der Letzten Meile. Da ist auch immer noch zu wenig passiert.
In Kärnten gibt es ein schönes Beispiel in der Region Villach-Faaker See-Ossiacher See. Da hat Georg Obers die Letzte Meile dadurch geschlossen, dass er E-Bikes anbietet, die man auch oneway nutzen kann. Das wird vielfältig angenommen: Entweder fährst du mit deinem Rucksack vom Hotel zum Bahnhof oder über den wunderbaren Radweg bis nach Tarvis in Italien und lässt das Rad dort stehen. So etwas wird man nur regional lösen können, da ist der Betrieb allein aufgeschmissen. Das müssen wir aber, denn unsere Gäste reagieren immer sensibler auf Umweltverstöße.
Da wären wir dann beim letzten Thema: der Tourismusakzeptanz.
Wir haben es bis jetzt noch nicht geschafft, den Tourismusraum als Lebensraum zu sehen. Da gab es zwar ein paar zarte Ansätze im Plan T. Wir haben aber noch nicht der einheimischen Bevölkerung vorgehupft, wie wichtig der Tourismus für ihr eigenes Lebensgefühl ist. Jetzt in der Covidkrise haben wir die Chance dazu. Jetzt sehen die Menschen, was alles vom Tourismus abhängt. Ein geschlossenes Wirtshaus betrifft auch die Einheimischen. Plötzlich sind alle Gäste weg und wir verdienen nichts mehr, das hat auch jeder gemerkt. Das müsste man jetzt positiv kommunizieren.
Was hat uns gefehlt während der Covidphase…
Das ist eine Marketingfrage. Marketing für die ansässige Bevölkerung. Wir denken Tourismus immer von der Investorenseite – nie von der Nachfrageseite. Wenn heute in der Förderrichtlinie steht, dass wir 3- ,4- oder 5-Sternehotels fördern dürfen, dann haben wir uns nie die Frage gestellt, ob das wirklich das ist, was der Gast nachfragt. Bringen wir über 3-, 4- oder 5-Sternehotels die Gästestruktur in die Region, die wir dort haben wollen? Die die Bevölkerung haben will?
Da ist dann Urlaub am Bauernhof oder Glamping nicht dabei. Was vielleicht ein verträglicherer Tourismus wäre.
Was Österreich auch die Möglichkeit gäbe, sich von anderen Tourismusstandorten zu unterscheiden. Das System Hilton gibt es wo anders auch. Urlaub am Bauernhof oder Privatzimmervermietung in der österreichischen Qualität wirst du in Griechenland, in Spanien oder der Türkei lange suchen müssen. Leider sind bei uns auch eher die massentouristischen Angebote als Erstes wieder ins Laufen gekommen. Ich denke da an die Jubelmeldungen zur Flussschifffahrt auf der Donau. Die braucht kein Mensch! Die Bevölkerung braucht sie nicht! Und reagiert dann ungehalten auf DEN Tourismus. In Wirklichkeit meint sie die Donausschifffahrt. Die lassen ihren Dreck bei uns, aber viel zu wenig Geld. Das macht unzufrieden. Wenn man sich in Schönbrunn anstellen muss. Wenn man beim Heurigen keinen Sitzplatz mehr bekommt.
Das könnte man über Preise ändern. Wenn das Anlegen in Wien so viel kostet, dass es sich nicht mehr lohnt.
Genau. Wie in Venedig. Das ist sozial natürlich ungerecht, das gebe ich zu. Aber das gibt‘s in vielen anderen Bereichen auch. Wenn ich nicht bereit bin viel Geld auszugeben, kann ich nicht im Steirereck speisen. Deswegen ist das Steierereck ja nicht asozial. Wir brauchen Lenkungsmechanismen, das muss ja nicht immer über den Preis gehen. Und da sind wir wieder bei den Förderungen. Auch die müssen einen mutigen, zukunftsorientierten Lenkungsprozess unterstützen.
Das fängt bei Startwohnungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an und endet bei der Letzten Meile. Wenn so eine Startwohnung 100.000 Euro kostet, dann müssen wir eben nicht nur 5 Prozent fördern, sondern 15 Prozent. Aber nur dann, wenn definierte Qualitätskriterien nachweislich vom Investor garantiert werden. Sonst kommt es zu den vom Rechnungshof kritisierten Mitnahmeeffekten. Weil dann die Förderung wurscht ist, auf die 5 Prozent kommt es selten an.
Ginge das nicht auch über Buy-to-Let-Modelle? Da wird ja privates Kapital für den Tourismus akquiriert.
So lange wir von wirklich ausschließlicher touristischer Nutzung sprechen können. Ich habe hier ein Schreiben aus dem Februar diesen Jahres von einer Hotelbetreiberin, deren Haus diesem Modell folgt. Die schreibt: „Finanziert wurde das Hotel durch den Verkauf von Wohnungen an Private. Die Privaten sahen in Wirklichkeit darin kein touristisches Investment, sondern haben geglaubt einen Zweitwohnsitz zu erwerben. Die in der Wohnungswidmung festgelegte Weitervermietung an den Hotelbetreiber wurde laufend von dieser Zielgruppe negiert.“
Das heißt die Hoteliére konnte diese Wohnungen gar nicht an ihre Gäste vermieten?
Nein, konnte sie nicht. Es heißt weiter: „Durch untergriffige Aktionen wurden die wenigen verbliebenen Hotelgäste vergrämt. Etwa wurde der von den Privaten finanzierte Parkplatz durch private Parksheriffs überwacht und den dort parkenden Hotelgästen wurden Besitzstörungsklagen angehängt.“ Der Betrieb ist in Insolvenz gegangen, weil er viel zu klein dimensioniert ist, um erfolgreich als Hotelbetrieb geführt werden zu können. „Weil Gäste flüchten, weil sie mit den privaten ‚Eigentümern‘ in Kollision geraten.
Jetzt entscheidet die Eigentümerversammlung über die Weiterführung des Betriebs.“ Das heißt, die Betreiberin hat gar nichts mehr zu sagen. „Unsere Inhabergruppe vermietet in erster Linie über Booking.com, braucht kein Restaurant, benötigt keinen Fitnessraum, keine Rezeption. Der Innen- und Außenpool wurde geschlossen. Da nach Meinung der ‚Zweitwohnungsbesitzer‘ von den vielen lärmenden Hotelgästen ihnen ihre Ruhe genommen wurde. Ergebnis: Das schöne Hotel wurde zu einem Garni-Betrieb degradiert.“ Schlusssatz: „Bitte helfen Sie mir, sonst gehen wir sofort in Konkurs.“
Die Käufer der Wohnungen hatten eben völlig falsche Vorstellungen.
Und ich behaupte: Das war Absicht. Das gehört zum Erfolgsmodell Buy-to-Let dazu. Wir von der ÖHT zahlen einem Hotelier vergünstigte Kredite. Dort zahlt ein Hotelier de facto erhöhte Zinsen, weil er den Mitbesitzern eine Rendite ausschütten muss. Oft ist die Betriebsgröße für einen Hotelbetrieb suboptimal. Deshalb rechnet sich die Hotelinfrastruktur nicht mehr. Die privaten Eigentümer wollen die Hotelservices gar nicht nutzen, weil sie sich als Einheimische fühlen wollen. Nicht als Hotelgäste.
Noch ein Problem ist, dass viele dieser Buy-to-Let-Produkte als Chaletdörfer geplant werden. Die Banken finanzieren das gerne, weil sie, wenn es schief geht, so ein Chalet besser weiterverwerten können. Allerdings hat das Chaletprodukt das Problem des Bodenfraßes – verglichen mit einem konventionellen Hotelgebäude. Davon müssen wir in der Tourismuswirtschaft auch wegkommen. Das zahlt auch nicht auf die Akzeptanz bei der einheimischen Bevölkerung und anderen Gästen ein. So bleibt Tourismus immer ein Fremdkörper.
Beispiel Hochrindl in Kärnten: Dort wird auf 49.500 qm Alm ein riesiges Chaletdorf errichtet. Das sind genau 500 qm unter der Verpflichtung zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Einheimischen laufen Sturm dagegen. Die Gemeinde kommt bei solchen Projekten in Zugzwang. Was tust du, wenn der Betreiber tatsächlich in Konkurs geht? Entweder du nimmst zur Kenntnis, dass dort auf ewig und drei Tage eine Tourismusleiche steht oder du stimmst der Umwidmung in tatsächliche Zweitwohnsitze zu.
Was man beides nicht wollte.
Daher sind solche Produkte nur gut für die gemeinden, wenn sie funktionieren. Aber nicht wenn sie schief gehen. Und die gehen manchmal schief. Manchmal sollen sie das vielleicht auch unter dem Aspekt einer nachträglichen Zweitwohnsitzverwertung. Gut gehen sie an Top-Standorten, wo aber auch ein konventionelles Tourismusprojekt durchfinanziert werden könnte und funktionieren würde. An zweitklassigen Standorten, wo sich ein konventionelles Produkt nicht finanzieren lassen würde, funktioniert auch Buy-to-Let nicht.
Und dann kommt noch der Generationenwechsel hinzu: Jemand, der sich sagen wir in Kitzbühel so ein Buy-to-Let-Objekt kauft, hat nicht nur Geld, sondern vermutlich auch ein Naheverhältnis zu dieser Region. Seine Erben vermutlich nicht (mehr). Die dritte Generation erbt dann womöglich so ein Objekt und muss dessen Nutzung auf mehrere Familien aufteilen. Die müssen dort zu den vertraglich festgelegten Zeiten urlauben – würden das aber lieber unbeschränkt tun. Also läuft es wieder auf einen Zweitwohnsitz hinaus.
Bilder: Tomasz Frankowski (Unsplash), Armin Reautschnig (designtist | GESTALTET) Beitrag: Thomas Askan Vierich
4. April 2022
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